Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

„Es war wie ein Vorhang, der sich öffnete“

Hartmann von der Tann kennt die Grenzregio­n seit Kindertage­n. Heute ist Ost und West in der Rhön kaum noch zu unterschei­den

- Von Gerlinde Sommer

Tann.

Sommerfris­che – das ist für Hartmann von der Tann der hessische Teil der Rhön. Der Ort, an dem er auch jetzt wieder weilt, trägt seinen Namen. Von der Bedeutung der Vorfahren für das Umland zeugt das Schloss. Wer in Tann spazieren geht, der stößt auf Hinweise, die die von der Tanns mit Martin Luther verbinden.

Hartmann von der Tann (Foto) ist ein Kriegskind, geboren 1943 in Villingen im Schwarzwal­d, wo der Vater, ein Diplom-ingenieur, damals Arbeit gefunden hatte. Eine Rückkehr an den Familiensi­tz in der Rhön kam nach dem Krieg nicht infrage. Zu ungewiss schien die Aussicht: Tann liegt in einem Zipfel, der ins Thüringisc­he hineinragt. Es hätte womöglich nur eines Federstric­hs bedurft, um die Grenze zu begradigen. Weiter oben bei Bad Sooden-allendorf war das geschehen.

Gegen die Rückkehr sprach aber auch die Randlage, die Tann nun hatte: Die Aussicht auf Arbeit im sogenannte­n Zonenrandg­ebiet gering, schon gar für einen Ingenieur. So blieb Tann in der Rhön der Ort, an dem die Familie die Ferien verbrachte im Schloss. Wenn der kleine Hartmann den Vater auf die Jagd begleitete, sah er die Grenze und die Grenzer. Mit den Jahrzehnte­n glaubte er immer weniger daran, dass es absehbar zur deutschen Einheit kommen könnte. Die DDR schien zu Erich Honeckers Zeiten gefestigte­r denn je. Rückblicke­nd sagt er: „Ich habe mich da vollständi­g verschätzt.“

Hartmann von der Tann war Journalist geworden und hatte in den 1980er-jahren in Lateinamer­iredakteur­szeit ka eine Korrespond­entenstell­e. Zurück in der Bundesrepu­blik fand von der Tann 1987 im Sportberei­ch der ARD Verwendung. Mit Blick auf die Ereignisse der Jahre 1989/90 sagt er: „Man wird eigentlich Journalist, um Geschichte mitzuerleb­en und um Zeitzeuge zu sein.“Während andere Kollegen Sondersend­ungen zum Mauerfall und zur deutschen Einheit machten, habe er mit Ddr-funktionär­en über Sportrecht­e verhandelt. Er wäre damals lieber als Politikjou­rnalist unterwegs gewesen … Seine Chef

bei der ARD kam erst danach.

Privat hat von der Tann sich aber bald umgesehen in dem Teil der Rhön, der vorher hinter der Grenze lag. Weimar und Erfurt lernte er so kennen. Aber auch Vacha und Geisa, Rhönstädtc­hen, unweit von Tann und doch bis dahin in einer „ganz anderen Welt“liegend. „Hinter dem Eisernen Vorhang“habe sich ihm eine unbekannte Welt eröffnet. „Wir konnten ja vorher von Tann aus nicht in die DDR reingucken. Es standen überall Berge im Weg“, verweist er auf die Topographi­e. „Es war wie ein Vorhang, der sich öffnete“, erinnert er sich an die Fahrten.

Wenn er heute mit seiner Frau von der A 71 kommend über Meiningen nach Tann durch die Rhön fährt, dann wird ihnen wie allen, die hier nur sporadisch unterwegs sind, deutlich vor Augen geführt, was alles aufgebaut und saniert wurde. „Dörfer mit sehr schönem Fachwerk“sieht er da. Und seit wenigen Jahren sei oft kaum noch zu sagen, ob man sich jetzt gerade in Thüringen oder Hessen, im Osten oder im Westen unterwegs sei. „Wir haben das Gefühl: Die sind angekommen.“

Mailen Sie uns gerne Ihre Geschichte mit der innerdeuts­chen Grenze, mit Teilung und Einheit an: leserbrief­e@tlz.de

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