Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Kluft noch größer geworden“
Landestrainer Felix Hinkfuß freut sich über das beste Abschneiden der deutschen Slalomkanuten bei den olympischen Spielen. Der Erfurter sorgt sich aber um die Basis
Vor neun Jahren hat es Felix Hinkfuß knapp verpasst, das Ticket für die Sommerspiele in London zu buchen. Nun schaut der 31-Jährige als Landestrainer Kanuslalom mit besonderem Interesse nach Tokio. Im Wildwasser schnitten die Deutschen so erfolgreich wie nie ab.
Vier Disziplinen, vier Medaillen. Einmal Gold, dreimal Bronze. Die deutsche Bilanz im Wildwasser bei den Spielen fällt glänzend aus.
Das kann man so sagen. Ich habe alle Rennen trotz der frühen Uhrzeit gesehen und freue mich sehr über die vier Medaillen. Der Erfolg tut unserem Sport sehr gut.
Das beste Abschneiden gelang der deutschen Mannschaft 1996, damals mit einer Goldenen und zwei Bronzemedaillen. Zwanzig Jahre später in Rio waren die Deutschen leer ausgegangen. Nun der größte Erfolg. Überrascht?
Sicher hatten unsere Medaillengewinner ein wenig Glück in ihren Rennen. Aber das hatten sie sich verdient und sollte die Leistung keineswegs schmälern. Ungewöhnlich ist, dass mit Hannes Aigner und Sideris Tasiadis die beiden Bronzegewinner bereits ihre dritten Olympischen Spiele erleben, obwohl der Nachwuchs in einer Einzelsportart wie unserer ins Rampenlicht drängen müsste. Das zeigt, dass dort bei allem Erfolg eine Lücke klafft.
Die Situation können Sie für Thüringen selbst mit verändern. Sie sind seit diesem Jahr Landestrainer. Es gibt gewiss bessere Zeiten für den Einstieg als diese, möchte man meinen. Mit welchen Erwartungen gehen Sie die Aufgabe an?
Mein Ziel war, dass wir ein bisschen näher zusammenfinden. Aber im Moment geht es in erster Linie darum, dass wir infolge der langen Pause so wenige Sportler wie möglich verlieren. Das ist schwer genug.
Weil?
Die Bereitschaft hat sich in den vergangenen Jahren schon geändert,. Im Moment ist es noch schwerer zu motivieren. Die wenigen Leistungskader etwa durften aufgrund des Status trainieren, die anderen nicht mal ins Boot. Die ohnehin große
Kluft ist nun noch größer geworden. Zwei Jahre Trainingsausfall aufzuholen, ist fast unmöglich.
Die Sportart Kanuslalom ist schwer getroffen von den Auswirkungen der Pandemie. Die regional wichtigsten Wettkämpfe stehen zeitig im Frühjahr an und fielen ins Wasser. Ist die zweite Saison in Folge wegen des Lockdowns eine komplett gebrauchte für die Kanuten?
Leider ja. Nach all den Absagen waren wir guter Hoffnung, dass Ende August in Hagen-hohenlimburg wenigstens die deutschen Jugendund Juniorenmeisterschaften stattfinden. Durch das verheerende Hochwasser an der Lenne aber ist die Strecke im Wildwasserpark zerstört. Zwei Jahre ohne Wettkämpfe sind bitter. Ich hoffe, dass wir im Oktober unser Trainingslager in
Roudnice (in Tschechien/anm. der Red.) ausrichten können.
Gera, Jena, Erfurt, Weimar und Sömmerda: Die Vereine in Thüringen investieren viel in die Nachwuchsarbeit. Thüringen hat dennoch seit Jahren Mühe, das Erbe von Kordula Striepecke als letzte international erfolgreiche Slalomkanutin anzutreten. Sie war 1996 die letzte Olympiateilnehmerin. Was macht es so schwer?
Wir betreiben einen Wildwassersport, haben in Thüringen aber leider keine Wildwasserkanäle, um auf dem hohen Niveau trainieren zu können, das nötig wäre. Deswegen sind wir gezwungen, viel zu fahren. Nach Markkleeberg etwa. Das kostet. Und wir haben einen Mangel an jungen Trainern, die sich in der Freizeit engagieren.
Dabei hat der Kanuslalom viel zu bieten: Action, Abenteuer, Athletik.
Das macht Kanuslalom auch attraktiv, gerade für junge Leute. Wer nach oben will, der muss viel Geduld mitbringen. So durch die Tore zu kommen wie unsere Medaillen-gewinner, das braucht Jahre.