Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Deutsche Raketenbauer streben ins All Drei Unternehmen wollen den Markt für Weltraumtransporte aufrollen. Startrampe könnte die Nordsee sein
Berlin.
Drei Milliardäre liefern sich derzeit ein skurriles Kräftemessen: Richard Branson absolvierte Anfang Juli den ersten Passagierflug in den Weltraum, darauf folgte Amazon-gründer Jeff Bezos. Nun steht noch der Elektroautopionier Elon Musk aus, dessen Firma Spacex bereits für die Nasa arbeitet.
Es scheint, dass Amerikaner und Briten das Geschäft machen. Doch bei Raketentechnologie sind auch drei deutsche Firmen international weit vorn. Isar Aerospace, Hyimpuls und Rocket Factory Augsburg (RFA) wollen jedoch keine Passagiere ins All befördern. Es geht vielmehr darum, Raketen in Masse herzustellen und mit zahlreichen Starts zu niedrigen Preisen ganze Schwärme von standardisierten kleinen Satelliten ins All zu befördern.
New Space heißt der Aufbruch in der Raumfahrtbranche. Weltweit entstehen private Firmen, die Raketen entwickeln, Satelliten verkleinern und optimieren. Der Markt verspricht viel: Auf 54 Milliarden Euro schätzt ihn die Beratungsfirma Euroconsult zwischen 2021 und 2030. Im Schnitt sollen jährlich 1391 Satelliten ins All geschickt werden. Bisher sind es etwa 296.
Marktführend sind die USA. Doch: „Deutschland ist bei der Entwicklung in Europa führend und auch weltweit vorn dabei“, sagt Matthias Wachter vom Industrieverband BDI. „New Space wird für das Industrieland Deutschland immer wichtiger. Nicht primär wegen der
Zahl der Mitarbeiter, sondern wegen der technologischen Hebeleffekte für klassische Anwendungen auf der Erde.“In der Branche arbeiteten laut BDI 2020 gut 3000 Beschäftigte in 125 untersuchten Unternehmen. Tendenz stark steigend.
Große Satellitennetze in bis zu 1400 Kilometern Höhe, dem Low Earth Orbit (LEO), sind wichtig für Branchen wie die Autoindustrie, Energie, Landwirtschaft, Logistik und Luftfahrt. Sie können präzise Wettervorhersagen liefern oder Standorte von Schiffen und Daten, die Waldbrände früh erkennen lassen. Sie können Infrastruktur wie Pipelines und Stromnetze überwachen. Und: Ohne diese Satelliten würde das autonome Fahren wohl ausgebremst.
Ein Szenen-ausschnitt aus einem Animationsvideo der Firma Isar Aerospace.
Hersteller setzen auf kleinere und günstigere Raketenmodelle
Die drei deutschen Raketenbauer wollen vom Boom profitieren. Sie entstanden jeweils 2018. RFA, mit 95 Mitarbeitern und Sitz in Augsburg, gehört dem Bremer Raumfahrtunternehmen OHB. Das Familienunternehmen baute unter anderem Satelliten für das europäische Galileo-programm. Hyimpuls mit rund 50 Mitarbeitern aus Neuenfels ist ein Spin-off des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Hinter dem Unternehmen steht die
Schwarz-holding aus München, der ein großes Testdienstleistungsunternehmen gehört.
Isar Aerospace aus Ottobrunn bei München wurde von drei Raumfahrtingenieuren
Diese Visualisierung zeigt, wie die schwimmende Startplattform aussehen könnte.
gestartet, zu den Geldgebern gehören Airbus sowie die Wagniskapitalfirmen Earlybird und UVAC.
Raketen wie die Falcon-9 von
Spacex, die unter anderem für die Nasa im Einsatz ist, transportieren bereits jetzt Satelliten, sind aber zu groß und zu unflexibel für den Massenmarkt. Die Falcon-9 ist rund 70 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 3,7 Metern. Die sogenannten Microlauncher, an denen Hyimpuls, Isar Aerospace und RFA arbeiten, sind deutlich kleiner: Spectrum von Isar Aerospace kommt wie die SL1 von Hyimpuls auf 27 Meter Höhe, die Rfa-rakete auf 30 Meter, bei jeweils knapp zwei Metern Durchmesser.
Die Newcomer versprechen, Nutzlast zwischen 0,5 und 1,3 Millionen Tonnen transportieren zu können, in der Falcon-9 sind es bis zu 8,3 Tonnen, in der europäischen Arianerakete bis zu fünf Tonnen.
Rocket Factory Augsburg hat angekündigt, einen Start für drei Millionen Euro anzubieten, bei einer Falcon-9 sind es gut 50 Millionen Euro. Bisher wird noch entwickelt. Am weitesten ist Isar Aerospace, der Erstflug ist für 2022 geplant.
Bleibt die Frage, wo die Raketen starten sollen. Im Gespräch ist die Nordsee. Die Raketen könnten von einem Schiff aus gestartet werden und zwar im äußersten Zipfel der außerordentlichen Wirtschaftszone Deutschlands, gut 420 Kilometer von Bremerhaven entfernt. Erste Starts sind für 2023 vorgesehen. Die Genehmigung steht aber noch aus.