Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Kaum Buchungen
Die Reisebranche in Thüringen spürt seit einigen Tagen enorme Kunden-zurückhaltung
2022 feiert Silke Punthöler-aydin 30-jähriges Betriebsjubiläum. 1992 hat sie das Reisebüro Air Voyage in Gera eröffnet, ist mittlerweile seit 44 Jahren in der Reisebranche tätig. Sie hat in dieser Zeit beruflich viel erlebt: Kampf um Urlaubsplätze in der DDR, Wendewirren, 09/11, Aschewolke, Arabischer Frühling, verschiedene Airline-pleiten. Doch die Folgen, die das Coronavirus ausgelöst hat, sind unvergleichlich. Die Pandemie habe die Branche mit Wucht getroffen. Und sie macht das jetzt wieder.
Es gebe höchstens drei, vier Neubuchungen pro Woche, so Silke Punthöler-aydin. Dabei sei der zurückliegende Sommer hoffnungsvoll verlaufen. „Doch nun geht fast nichts mehr. Wir müssen uns auch wieder vermehrt um Absagen kümmern, beispielsweise von Adventsreisen oder Österreich-urlauben.“Mario Hirt vom Eisenacher Reisebüro Travel Butler pflichtet bei, er kann sich aktuell ebenfalls kaum über Abschlüsse freuen.
Die Zurückhaltung der Kunden bestätigt auch Jan Ehrke vom gleichnamigen Reisebüro im Zentrum von Erfurt. „Seit rund einer Woche ist es beängstigend ruhig.“Das normale Geschäft sei erneut fast vollständig zum Erliegen gekommen, nachdem man sich gerade einigermaßen erholt hätte.
Katja Wintzer blickt deshalb „auch zufrieden zurück. Sogar die Herbstmonate September, Oktober und Tage des Novembers waren gut.“Manchmal sei das Gefühl wie 2019 vor der Pandemie gewesen. „Aber nun das deutliche Abflauen, das . . .“Die 44-Jährige beendet den Satz nicht, „ein Absturz auf null“ wäre es aber noch nicht. Sie hat die zwei Reisebüros Wache in der Landeshauptstadt 2017 von ihrer Mutter übernommen. Mit sechs Angestellten wurde die Mühsal der Pandemie bewältigt: Stornierungen und Umbuchungen, kräftezehrende Rückabwicklungen, Enttäuschungen über die wieder eingezogenen Provisionen durch die Reiseveranstalter. Erfahrungen, die viele Büros gemacht haben.
Doch Aufgeben sei kein Thema gewesen. Auch die finanzielle Unterstützung des Staates mit Überbrückungshilfen habe dafür gesorgt, dass die schwere Zeit etwas leichter zu ertragen war.
Im Freistaat gibt es laut dem Deutschen Reiseverband fast 400
Reisebüros – mit 18,4 pro 100.000 Einwohner bedeutet das die höchste Dichte im Bundesvergleich. Doch es ist fraglich, ob das so bleibt. Denn wieder ist die Ungewissheit groß, weitere Kurzarbeit droht. „Niemand weiß, was die nächsten Wochen bringen. Gerade Januar und Februar sind umsatzstarke Monate, da wird viel für den Sommer gebucht“, so Jan Ehrke.
„Wir werden jetzt mal wieder in den Winterschlaf verfallen“, sagt Martina Scholz vom Reisebüro am Weimarer Herderplatz mit leicht sarkastischem Unterton. Um dann gleich ernsthaft hinzuzufügen: „Aber wir werden wieder aufwachen, denn die Leute möchten verreisen. Das Reisen, die Sehnsucht danach, gehört zum Leben.“Und sie erinnert sich: „Mitte März 2020, als der erste Lockdown angeordnet wurde, war mir intuitiv klar, dass das nicht gleich vorbei ist. Aber, dass wir so lange leiden müssen. Jetzt wieder“, sinniert sie.
Man werde aber optimistisch bleiben. Die Betreuung und Beratung mache ja schließlich Spaß, sagen alle Befragten. Auch wenn das mehr Zeit als früher in Anspruch nimmt, der Aufwand teilweise nicht im Verhältnis zur Provision steht.
Silke Punthöler-aydin hat ihr Jubiläum erst im Dezember 2022. Bis dahin ist also noch genug Zeit, um über eine eventuelle Feierlichkeit nachzudenken. Vielleicht passiert die ja auch mit einer Reise…