Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Koalitionsvertrag mit Licht und Schatten
Was sagen die Vorsitzenden von SPD, Grünen und FDP im Landkreis zu den Zielen der neuen Bundesregierung?
Der Vertrag der Ampel-koalition über die Ziele der neuen Bundesregierung steht. SPD und FDP wollen auf Parteitagen am kommenden Wochenende über das Papier abstimmen, bei den Grünen läuft bis zum 6. Dezember dazu eine digitale Urabstimmung. Auch in den Kreisverbänden der drei Parteien läuft derzeit die Diskussion. Was sagen die Vorsitzendem zu dem Vertrag?
In einer Online-konferenz werde die SPD im Unstrut-hainich- und Wartburgkreis den Vertrag diskutieren, sagt der Vorsitzende Kay-uwe Jagemann. Er selbst habe „einen sehr guten Eindruck“vom erzielten Verhandlungsergebnis: „Das kann man unterschreiben.“Schon die an Willy Brandt erinnernde Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“gefalle ihm.
Wesentliche Forderungen der Sozialdemokratie seien im Vertrag enthalten, etwa die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro, die Kinder-grundsicherung und stabile Renten. Dass die Ausgaben für Bildung steigen sollen finde er als Lehrer gut. Es müsse weiter in Digitalisierung der Schulen investiert werden, auch die Sanierung von Schulen in Brennpunkten soll forciert werden. Ebenso wichtig sei die vereinbarte bessere Bezahlung von Personal in Pflege und Krankenhäusern.
Andererseits habe die SPD sich nicht mit einer höheren Besteuerung für Besserverdienende durchsetzen können, bedauert Jagemann: „Diese Kröte müssen wir schlucken.“Ebenso fehlen ihm im Kabinett mehr Vertreter aus Ostdeutschland. Dennoch sei die Spd-handschrift gut erkennbar, wie auch die der beiden Partner. Am Ende müssten alle Kompromisse schließen. Jagemann: „Ich freue mich auf die nächsten vier Jahre, dass die SPD den Kanzler stellt und hoffe, das es so geräuschlos weitergeht.“
Bei den Grünen gebe es derzeit Diskussionen in vielen Video-foren, sagt Kreissprecher Tino Gaßmann. Der Vertrag enthalte für ihn
„Licht und Schatten“. Aber er könne aus seiner Sicht unterschrieben werden. Viele Ziele zum Thema Klimawandel gingen auf die Grünen zurück. Der vereinbarte endgültige Ausstieg aus der Kohle sei ein großer Meilenstein, auch wenn das angestrebte Datum mit „idealerweise 2030“nur weich formuliert worden sei. „Wenn man den Vertrag umsetzt, was nicht leicht wird, ist das zu schaffen“, meint Gaßmann.
Dass das Verkehrsministerium an die FDP gehe, sei „ein Schlag ins Kontor“, denn es habe beim Klimathema große Bedeutung. Er hätte sogar lieber auf das Außenministerium verzichtet, sagte Gaßmann. Nun müsse man die FDP in die Pflicht nehmen.
Gut finde er dagegen, dass der Anteil der ökologischen Landwirtschaft auf 30 Prozent ausgebaut werden soll und dass für die bäuerliche Tierhaltung strengere Vorgaben gelten sollen. Auch Tino Gaßmann hebt das Bildungsprogramm hervor, das neben Digitalisierung – „da brauchen wir noch mal Beschleunigung“– und Investförderung auch den Ausbau der Schulsozialarbeit vorsehe.
Die FDP gilt vielen Beobachtern als Gewinnerin der Verhandlungen. Der Kreisvorsitzende Alexander Kappe hat da einen kritischeren Blick, nachdem er sich insbesondere mit den Passagen zu Umwelt, Landwirtschaft und Verkehr befasst hat. Auch er diskutiert den Vertrag per Video auf Kreis- und Landesebene mit.
„Dass das Verkehrsministerium an die FDP geht, ist ein Schlag ins Kontor.“Tino Gaßmann, Grünen-kreissprecher
FDP sieht Fragezeichen bei Umsetzbarkeit, etwa E-mobilität „Das Papier ist sehr von den Grünen geprägt, die Umwelt- und Klimathemen ziehen sich überall durch“, findet Kappe. Er sehe „große Fragezeichen“bei der Umsetzbarkeit der Ziele zu Öko-landbau, erneuerbaren Energien und E-mobilität. Selbst das vereinbarte Glyphosat-verbot ab 2023 sei schwierig, weil das Mittel Effizienz in der Landwirtschaft ermögliche und Alternativen fehlten.
Er frage sich angesichts der Dominanz der Grünen im Vertrag eher, wo sich die SPD wiederfinde, sagt Kappe. Immerhin habe sie den höheren Mindestlohn durchgesetzt, eine Regulierung, die ihm als Anhänger des freien Marktes nicht gefalle.
Einen Rückzieher der FDP wie beim letzten Mal wolle er aber nicht noch mal: „Man muss sich zusammenraufen“und Kompromisse finden, sagt Kappe und ist sich darin einig mit Jagemann und Gaßmann. Und auch er lobt die Verhandlungen, die eine „neue, erfreuliche Kultur des Umgangs miteinander“gezeigt hätten.