Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Der Traum von Europa

Nahid und ihre Familie hausen seit der Flucht aus Afghanista­n in einem Zeltlager

- Von Felix Lorber

Nahid liebt es zu schreiben. Sie träumt davon, eines Tages Bücher zu verfassen. Darin will sie erzählen, was sie erlebt hat. Nahid ist 16 Jahre alt. Gemeinsam mit ihren Eltern und ihren beiden Brüdern ist sie auf der Flucht.

Die Familie kommt aus Afghanista­n. Das Land liegt in Asien. In den vergangene­n Jahrzehnte­n gab es dort immer wieder Krieg und Gewalt. Deshalb wollen viele Menschen das Land verlassen, so wie Nahids Familie. Sie hoffen auf Sicherheit in Europa – und auf ein besseres Leben.

„Unser Traum ist das Leben, das die Kinder in Europa bereits haben“, sagt Nahid. In Afghanista­n konnte sie früher zur Schule gehen. Mit ihren Eltern wohnte sie in einem Haus. Heute schlafen sie zu fünft in einem Zelt. Es steht in einem Flüchtling­slager in der Nähe von Velika Kladuša (sprich: Welika Kladuscha) im Nordwesten Bosnien-herzegowin­as. Das liegt neben Kroatien, direkt an der Grenze zur Europäisch­en Union (EU).

Oft träumt Nahid davon, ein eigenes Zimmer zu haben. Seit viereinhal­b Jahren reist die Familie nun von Land zu Land. Sie möchte in der EU Asyl beantragen. Das bedeutet: Menschen, die in ihrem Heimatland von Krieg oder Verfolgung bedroht sind, sollen in Europa Schutz bekommen. Doch das ist alles andere als einfach. Bis sie am Ziel sind, haben Nahid und ihre Familie einen langen und schweren Weg vor sich. Sie müssen Berge und Flüsse überqueren, meistens zu Fuß. Dabei müssen sie sehr vorsichtig sein. Die Polizei darf sie nicht entdecken.

„Warum können wir nicht reisen wie andere Menschen?“, fragt Nahid. Dass das so ist, hat mit verschiede­nen Dingen zu tun. Zum Beispiel sind sich die europäisch­en Länder nicht einig, wie die Menschen in Europa verteilt werden sollen. Manche Länder wollen gar keine Flüchtling­e aufnehmen. Deshalb bewachen Polizisten oder Soldaten ihre Grenzen. Teilweise haben Polizisten auch schon Gewalt gegen Flüchtling­e angewendet.

Viele Male schon hat Nahids Familie versucht, in die EU zu kommen. Doch immer wieder wurde sie zurückgesc­hickt. Jetzt steckt sie mit ihrer Familie in Velika Kladuša fest. Wie Nahid und ihre Familie leben hier Hunderte Menschen in Zelten. Auf einem großen Feld haben sie ein Lager gebaut. Von dort aus versuchen sie immer wieder, in die EU zu laufen. Sie nennen den Weg das „Game“, ein Spiel also.

Wer es schafft, hat gewonnen. „Wir spielen mit unseren Leben“, sagt Nahid. Wenn der Winter kommt, ist dieses „Spiel“erst einmal beendet. Dann liegt nämlich Schnee in den Bergen, und die Menschen können nicht mehr weiterlauf­en. Nahid, ihre Eltern und ihre beiden Brüder haben es – wie viele andere auch – bisher nicht geschafft. Sie müssen sich eine Unterkunft für den Winter suchen. Im nächsten Jahr werden sie es wieder versuchen.

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FOTO: FELIX LORBER / DPA Die 16-jährige Nahid aus Afghanista­n steckt mit ihren Eltern und ihren beiden Brüdern in Velika Kladuša in Bosnien-herzegowin­a fest. Den gefährlich­en Weg in die Europäisch­e Union hat die Familie bislang nicht geschafft.

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