Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Ein Erlebnis, das es sonst nicht gibt“
Franz Klammer, der bis heute erfolgreichste Abfahrer der Welt, über seinen Kinofilm, Olympia-gold und den alpinen Skisport
Wien.
Der Ski-abfahrts-olympiasieger von Innsbruck 1976, Franz Klammer, zählt in Österreich und darüber hinaus bis heute zu den größten und beliebtesten Sportidolen. Auch viele Thüringer haben damals im Westfernsehen den Siegeslauf von Klammer in Innsbruck miterlebt. Der heute 67-Jährige gewann fünfmal den Abfahrtsweltcup und holte 25 Weltcup-einzelsiege in dieser Disziplin, weshalb er bis heute der erfolgreichste Downhill-athlet in der Weltcupgeschichte ist.
Der Wiener Regisseur Andreas Schmied hat einen spannenden Kino-spielfilm mit dem Titel „Klammer – Chasing the Line“gedreht, der Ende Oktober in die österreichischen Kinos kam und auch in Deutschland anlaufen soll.
Herr Klammer, was ist aus Ihrer Sicht die Botschaft des Kinofilmes, der nicht Ihr ganzes Sportlerleben nacherzählt, sondern nur die eine besonders extreme Woche im Februar 1976, wo Sie bei den Olympischen Winterspielen in Ihrem Heimatland Österreich, in Innsbruck Gold in der Abfahrt gewannen?
Kurz gesagt: Die besonderen Herausforderungen des Lebens anzunehmen und das Beste daraus machen. Das war damals mein Lebensmotto und ist es auch noch heute. All die Schauspieler mit dem Hauptdarsteller Julian Waldner und Schauspielerin Valerie Huber, die meine Freundin Eva spielt, haben die damaligen Geschehnisse im Film sehr gut umgesetzt. Auch der Super-g-weltmeister von 2001, Daron Rahlves aus den USA, der einige der spektakulären Rennszenen und meinen damaligen Fahrstil für den Film gedoubelt hat, ist großartig.
Der Druck auf Sie war damals sehr groß, wohl fast die ganze Skifahrernation Österreich hat erwartet, dass Sie mit 22 Jahren Gold in der Olympia-abfahrt holen oder?
Dies hatte ich einst weitestgehend ausgeblendet. Zuerst habe ich mir selbst den Druck gemacht, ich wollte ja unbedingt gewinnen. Ich hatte vorher viele wichtige Rennen gewonnen und wollte den Olympiasieg unbedingt holen, alles andere wäre für mich ein Drama gewesen. Es war das wichtigste Rennen meines Lebens. Vom Sport habe ich viel für das Leben gelernt. Auch aus den Niederlagen. Mit 16 bin ich aus dem Ski-kader geflogen und mein Vater meinte, ich sollte nun einen Beruf lernen. Da habe ich zu ihm gesagt, dass ich noch ein Jahr Skirennen zu fahren, probieren möchte. Dies hat er zugelassen, ich konnte mich mit sportlichen Leistungen durchsetzen und von da an ging es richtig aufwärts. Dafür bin ich meinen Eltern dankbar.
Es galt für Sie, die Ideallinie auf der Olympia-abfahrtsstrecke am Berg Patscherkofel bei Innsbruck zu finden. Dies ist ja auch der Titel des Kino-films: „Chase the Line“.
Ich musste im unteren Streckenteil wie man so schön sagt, die Sau rauslassen, denn ich hatte im oberen Streckenteil einige Fehler gemacht und an den Reaktionen der Zuschauer bei der Mitte der Strecke bemerkt, dass ich wohl nicht der Zeitschnellste war. Um meinen großen Konkurrenten, den Abfahrtsolympiasieger von 1972 in Sapporo, Bernhard Russi aus der Schweiz, noch schlagen zu können, musste ich also auf dem letzten Streckenteil alles riskieren und eine gewagte Linie fahren, was anderes blieb mir nicht übrig. Zum Glück hat es letztlich funktioniert.
Im Film ist zu sehen, wie der Chef Ihrer damaligen „Skifirma Fischer“Sie vor dem Olympiarennen heftig bedrängte, dass Sie einen neuen Ski mit einem Loch in der Skispitze, fahren sollen. Was war da los?
Ich habe dies klar abgelehnt und bin mit dem Ski gefahren, womit ich zuvor fast alle Rennen gewonnen hatte. Da wollte ich beim wichtigsten Rennen meines Lebens kein unnötiges Risiko eingehen. Ich bin froh, mich einst so entschieden zu habe. Jetzt muss ich das Gespräch kurz unterbrechen, ich fahre gerade mit dem Auto in Villach (Kärnten) an dem Berghang vorbei, wo ich meinen allerersten Pokal als junger Skifahrer gewonnen habe. Dieses Ereignis ist bis heute auch ein sehr emotionaler Moment in meinem Sportlerleben. Dieser Pokal ist der Einzige, den ich in meinem Haus in dankbarer Erinnerung aufhebe. Wo ich die Goldmedaille von Innsbruck habe, weiß ich gar nicht. Aber dies ist eh wurscht, denn Olympiasieger bin ich ja nun mal. (lacht)
Franz Klammer vor gut 45 Jahren und heute. Dieses Olympiagold hat Ihr Leben bis heute geprägt, auch durch gut dotierte Werbeverträge.
Ja, dafür bin ich dankbar, denn dadurch konnte ich mein Leben so gestalten, wie ich es wollte.
Stimmt es, dass Sie damals als Jugendlicher in beruflicher Hinsicht keinen Plan B hatten und alles auf den Skisport gesetzt haben?
Ja, ich habe nach der Schule als Holzknecht gearbeitet, keinen Beruf erlernt, um mich voll auf das Skirennenfahren konzentrieren zu können. Die schwere Arbeit im Wald hat mir bei der kraftlichen Konditionierung als Skirennfahrer geholfen.
Ist Ihnen der Trubel um Ihre Person, der ja auch 45 Jahre später noch immer anhält, manchmal lästig?
Jein. Wenn ich mich in die Öffentlichkeit bewege, dann weiß ich, das dies vorkommen kann und ich öfters angesprochen werde. Das ist okay. Wenn ich meine Ruhe haben will, dann bleibe ich daheim. Aber klar, es freut mich schon, dass das
Interesse an meiner Person bis heute anhält.
Sie sind mit Ihren 25 Weltcup-abfahrtssiegen bis heute der erfolgreichste Abfahrer der Welt. Sind Sie stolz darauf?
Ich denke, in einigen Jahren wird auch diese Marke geknackt. Aber natürlich freue ich mich, 36 Jahre nach meinem Karriereende 1985, diese Marke noch immer inne zu haben.
Auf der wohl gefährlichsten Rennpiste der Welt, der Streif in Kitzbühel, haben Sie viermal in Ihrer Karriere die Abfahrt gewonnen. Der Großteil aller Spitzenfahrer ist dort schon gestürzt. Wie ist es Ihnen einst auf der Streif ergangen?
Ja, auch ich bin dort früher mehrfach gestürzt, zum Glück ohne schwere Verletzungen. Einmal schon im steilen Starthang, wo ich noch vor dem Mausefallensprung, in den Zaun gekracht bin. Aber ich habe die Streif gemocht, weil ich die besonders schwierigen Herausforderungen immer geliebt habe.
Wenn Sie den Skizirkus heute betrachten, was war damals anders?
Wir Athleten hatten wohl mehr Freiheiten, wir sind mit dem Weltcuptross gemeinsam gereist und haben nach den Rennen zusammen gefeiert. Es gab keine Pressesprecher, die uns sagten, was wir tun müssen. Die Kameradschaft unter uns Athleten war super, die Rennen ist natürlich jeder für sich gefahren, danach haben wir aber viel zusammen unternommen. Ich habe bis heute viele Freundschaften zu damaligen Fahrern.
Hatten Sie auch Kontakte zu Skialpin-sportlern aus der DDR, die ja nach dem von der Sportführung beschlossenem Aus für die Skialpindisziplinen im Hochleistungssportbereich nach 1968 im Weltcup nicht mehr mitfahren durften?
Nein, ich habe nie einen Skialpinsportler aus der DDR während meiner Karriere getroffen. Aber Sportler aus Polen, der Tschechoslowakei und Sowjetunion schon.