Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Ich war vor Angst wie erstarrt“
Erste Hauptzeugin sagt gegen Jeffrey Epsteins ehemalige Helferin Ghislaine Maxwell aus. Die Schauspielerin berichtet von sexuellen Übergriffen, als sie 14 Jahre alt war
Immer wieder tupft sich das mutmaßliche Opfer mit einem Taschentuch die Tränen weg. Trotzdem zweifelt Ghislaine Maxwells Anwältin die Aussagen an. Nein, sie könne der Zeugin nicht glauben, sagt Bobbi Sternheim – die Frau, die die angebliche Zuhälterin Maxwell vor dem New Yorker Bundesgericht vertritt. Denn die Zeugin sei ja Schauspielerin, aktuell sei sie in einer Us-fernsehserie zu sehen. „Sie ist ein Profi darin, Rollen zu spielen“, sagt Sternheim. Heißt: Die Zeugin behaupte nur, Qualen erlitten zu haben, sei jedoch unglaubwürdig.
Im Prozess gegen Ghislaine Maxwell (59) hat die erste Hauptzeugin gegen die Ex-partnerin des Sexualverbrechers und Multimillionärs Jeffrey Epstein († 66) ausgesagt. Die heute 41-Jährige, die vor Gericht unter dem Pseudonym Jane auftritt, schilderte detailreich, dass sie im Alter von 14 Jahren von Epstein erstmals sexuell missbraucht worden sei – und dass Maxwell eine wesentliche Rolle bei der Anbahnung dieses Missbrauchs gespielt habe.
Die anonyme Zeugin erzählt im Gericht, dass sie im Jahr 1994 ein Camp für begabte Kinder in Michigan besucht habe. Eines Tages hätten Maxwell und Epstein sie angesprochen. Er fördere junge Talente, habe der Finanzinvestor erzählt. So kamen sie in Kontakt, man tauschte Telefonnummern aus. Später besuchte sie das Paar auf dessen Anwesen in Florida. Die beiden erkauften sich das Vertrauen des Mädchens, so berichtet es die Zeugin. Sie habe damals eine schwierige Zeit durchgemacht: Wenige Monate vor dem Zusammentreffen mit Epstein war ihr Vater gestorben.
Epstein war großzügig, gab der Schülerin immer wieder Geld, bezahlte später sogar eine Wohnung und bot an, ihr bei einer Film- oder Musikkarriere zu helfen. Maxwell hingegen habe sich als eine Art große Schwester gegeben. Die Britin sei ihr zunächst „etwas schrullig“vorgekommen, aber eigentlich ganz nett. Sie lud das Mädchen ins Kino ein, ging mit ihr Unterwäsche kaufen – und erzählte immer wieder von ihrem Liebesleben.
Irgendwann habe Epstein sie mit zum Poolhaus des Anwesens in Florida genommen. Er habe sich auf eine Couch gesetzt, seine Jogginghose runtergezogen und sie auf sich gezogen, während er masturbierte. „Ich war vor Angst wie erstarrt“, sagt die Zeugin. „Ich hatte noch nie zuvor einen Penis gesehen.“Von da an habe Epstein sie alle ein bis zwei
Wochen sehen wollen. Maxwell habe sie gelegentlich angewiesen, „wie Jeffrey gerne massiert wird“, sagt die Zeugin weiter. In anderen Fällen habe sich Maxwell auch körperlich an Sexspielen beteiligt. Im Laufe der Zeit artete der Missbrauch in regelrechte Orgien mit mehreren Frauen aus, erzählt sie.
Maxwells Anwälte versuchen es mit der Weinstein-strategie
Maxwell habe so getan, „als ob es ganz normal wäre“, sagt die Zeugin. „Es hat mich verwirrt.“Es sei ihr „sehr peinlich gewesen“und sie habe nicht verstanden, was vor sich ging. Trotzdem besuchte sie das Paar immer wieder. Erst im Jahr 2002 brach sie den Kontakt nach eigener Aussage ab. Auf der Zuschauertribüne sitzt derweil mit der Autorin Sarah Ransome eine weitere Frau, die sagt, Epstein habe sie als 22-Jährige vergewaltigt.
Maxwells Verteidigung geht auf die Vorwürfe im Detail nicht ein. Stattdessen wirft Bobbi Sternheim der Frau vor, es gehe ihr nur um eine finanzielle Entschädigung. Ähnlich hatten schon die Anwälte des Filmproduzenten Harvey Weinstein (69) argumentiert – seine Opfer waren größtenteils Schauspielerinnen. Allerdings blieb die Strategie erfolglos: Weinstein wurde zu 23 Jahren Haft verurteilt.