Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Was die Ampel für den Geldbeutel bedeutet
Höherer Mindestlohn, mehr Elterngeld, eine Bafög-reform: Wer von der künftigen Regierung profitieren könnte
Berlin.
In einer Woche dürfte es so weit sein: Dann will die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen. Den 177 Seiten langen Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP bereits vorgelegt. Wer könnte künftig mehr Geld im Portemonnaie haben, wer muss sich auf Belastungen einstellen? Unsere Redaktion macht den Geldbeutel-check:
Beschäftigte
Ein zentrales Wahlkampfversprechen des designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) hat es in den Koalitionsvertrag geschafft: Der Mindestlohn soll in einem einmaligen Schritt von derzeit 9,60 Euro pro Stunde auf 12 Euro pro Stunde angehoben werden, ehe künftig die Mindestlohnkommission wie bisher über weitere Anhebungsschritte entscheiden wird. Eine „Gehaltserhöhung für zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger“hatte Scholz im Wahlkampf in Aussicht gestellt. Ganz so viele wird der höhere Mindestlohn allerdings nicht betreffen, wie eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-böckler-stiftung zeigt: Demnach verdienen derzeit rund 8,6 Millionen Beschäftigte weniger als zwölf Euro die Stunde. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Vor allem Beschäftigte in Ost- und Norddeutschland und in kleineren Betrieben ohne Tarifbindung hätten demnach im Zuge einer Anhebung mehr Geld in der Tasche.
Mit einem höheren Mindestlohn soll nach den Plänen des rot-grüngelben Bündnisses auch die Verdienstgrenze bei Minijobs von derzeit 450 Euro auf 520 Euro ansteigen. Bei den sogenannten Midijobs, bei denen im Gegensatz zum Minijob eine Sozialversicherungspflicht besteht, zugleich aber nicht die Sozialabgaben bezahlt werden müssen, soll die Verdienstgrenze von derzeit 1300 auf 1600 Euro angehoben werden.
Gesetzlich krankenversicherte Beschäftigte könnten Einbußen beim Nettolohn feststellen. Denn den Versicherungsbeitrag zur sozialen Pflegeversicherung (SPV) will die Ampel „moderat“anheben.
Eltern
Eltern könnten von den Plänen der Ampel-regierung profitieren. So soll etwa sich der Partner oder die Partnerin nach der Geburt eines Kindes zwei Wochen freistellen lassen können – vergütet. Steigen könnte das Elterngeld, das zwischen 300 und 1800 Euro im Monat beträgt. Auch sollen die bisherigen zwölf Partnermonate beim Basis-elterngeld um einen Monat verlängert werden. Die Kinderkrankentage sollen pro Kind und Elternteil von 10 auf 15 Tage und von 20 auf 30 bei Alleinerziehenden erhöht werden.
Sparerinnen und Sparer
Erstmals seit 2009 stellt die künftige Bundesregierung Sparern und Anlegern einen höheren Sparerpauschbetrag in Aussicht – allerdings erst übernächstes Jahr. Derzeit können 801 Euro pro Jahr an
Kapitaleinkünften steuerfrei eingenommen werden, bei Verheirateten oder eingetragenen Lebenspartnern liegt der Satz mit 1602 Euro doppelt so hoch. Ab dem 1. Januar 2023 soll der Freibetrag zum Beispiel für Zinsen, Dividenden und Kursgewinne aus Aktien und Fonds auf 1000 Euro für Einzelpersonen und 2000 Euro bei zusammen veranlagten Personen steigen.
Die Absetzbarkeit der Homeoffice-tage während der Pandemie von der Steuer soll zudem bis Ende des kommenden Jahres verlängert werden. Fünf Euro pro Tag Homeoffice, maximal 600 Euro im Jahr, können von der Steuer abgesetzt werden.
Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger
Die Ampel will Hartz IV durch ein neues Bürgergeld ersetzen. Wie viel Geld mehr Sozialhilfeempfänger damit in der Tasche haben werden, ist unklar. Fest steht, dass es einen monatlichen 150-Euro-bonus bei einer Weiterbildung geben soll.
Profitieren sollen künftig Kinder und Jugendliche. Die Ampel will eine neue Kindergrundsicherung einführen. Bis diese kommt, sollen Kinder einen Sofortzuschlag erhalten. Alleinerziehenden will die Ampel mit einer Steuergutschrift entgegenkommen. Auch sollen Einkünfte aus Schüler- und Studentenjobs nicht mehr auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden.
Rentnerinnen und Rentner
Für Rentnerinnen und Rentner beinhaltete der Koalitionsvertrag eine Hiobsbotschaft. Die ursprünglich geplante Rentenerhöhung von 5,2
Prozent im Westen und 5,9 Prozent im Osten im kommenden Jahr wird geringer ausfallen, da die Koalition den Nachholfaktor wieder einführen will. Insgesamt verspricht die Ampel, das Mindestrentenniveau von 48 Prozent dauerhaft zu sichern.
Der Rentenfreibetrag, also der Anteil der Rente, der steuerfrei bleibt, wird weiter sinken, aber weniger stark als bisher angenommen. In diesem Jahr liegt der Freibetrag bei 19 Prozent. Eigentlich war vorgesehen, dass er jedes Jahr um einen Prozentpunkt sinkt, 2040 also Renten voll besteuert werden. Die Ampel plant dagegen, dass der steuerpflichtige Rententeil ab 2023 nur noch um einen halben Prozentpunkt angehoben wird, also erst 2060 eine Vollbesteuerung der Rente erreicht wird.
Studierende
Die Ampel stellt Studierenden künftig eine Reform des Bafög in Aussicht. Die Freibeträge und Fördersätze sollen „deutlich“erhöht werden, die Förderung elternunabhängiger werden. Auch sollen beim Bafög Altersgrenzen angehoben, Studienfachwechsel erleichtert und die Förderhöchstdauer verlängert werden.