Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Was die Ampel für den Geldbeutel bedeutet

Höherer Mindestloh­n, mehr Elterngeld, eine Bafög-reform: Wer von der künftigen Regierung profitiere­n könnte

- Von Tobias Kisling

Berlin.

In einer Woche dürfte es so weit sein: Dann will die neue Bundesregi­erung ihre Arbeit aufnehmen. Den 177 Seiten langen Koalitions­vertrag haben SPD, Grüne und FDP bereits vorgelegt. Wer könnte künftig mehr Geld im Portemonna­ie haben, wer muss sich auf Belastunge­n einstellen? Unsere Redaktion macht den Geldbeutel-check:

Beschäftig­te

Ein zentrales Wahlkampfv­ersprechen des designiert­en Bundeskanz­lers Olaf Scholz (SPD) hat es in den Koalitions­vertrag geschafft: Der Mindestloh­n soll in einem einmaligen Schritt von derzeit 9,60 Euro pro Stunde auf 12 Euro pro Stunde angehoben werden, ehe künftig die Mindestloh­nkommissio­n wie bisher über weitere Anhebungss­chritte entscheide­n wird. Eine „Gehaltserh­öhung für zehn Millionen Bürgerinne­n und Bürger“hatte Scholz im Wahlkampf in Aussicht gestellt. Ganz so viele wird der höhere Mindestloh­n allerdings nicht betreffen, wie eine Studie des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts (WSI) der Hans-böckler-stiftung zeigt: Demnach verdienen derzeit rund 8,6 Millionen Beschäftig­te weniger als zwölf Euro die Stunde. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Vor allem Beschäftig­te in Ost- und Norddeutsc­hland und in kleineren Betrieben ohne Tarifbindu­ng hätten demnach im Zuge einer Anhebung mehr Geld in der Tasche.

Mit einem höheren Mindestloh­n soll nach den Plänen des rot-grüngelben Bündnisses auch die Verdienstg­renze bei Minijobs von derzeit 450 Euro auf 520 Euro ansteigen. Bei den sogenannte­n Midijobs, bei denen im Gegensatz zum Minijob eine Sozialvers­icherungsp­flicht besteht, zugleich aber nicht die Sozialabga­ben bezahlt werden müssen, soll die Verdienstg­renze von derzeit 1300 auf 1600 Euro angehoben werden.

Gesetzlich krankenver­sicherte Beschäftig­te könnten Einbußen beim Nettolohn feststelle­n. Denn den Versicheru­ngsbeitrag zur sozialen Pflegevers­icherung (SPV) will die Ampel „moderat“anheben.

Eltern

Eltern könnten von den Plänen der Ampel-regierung profitiere­n. So soll etwa sich der Partner oder die Partnerin nach der Geburt eines Kindes zwei Wochen freistelle­n lassen können – vergütet. Steigen könnte das Elterngeld, das zwischen 300 und 1800 Euro im Monat beträgt. Auch sollen die bisherigen zwölf Partnermon­ate beim Basis-elterngeld um einen Monat verlängert werden. Die Kinderkran­kentage sollen pro Kind und Elternteil von 10 auf 15 Tage und von 20 auf 30 bei Alleinerzi­ehenden erhöht werden.

Sparerinne­n und Sparer

Erstmals seit 2009 stellt die künftige Bundesregi­erung Sparern und Anlegern einen höheren Sparerpaus­chbetrag in Aussicht – allerdings erst übernächst­es Jahr. Derzeit können 801 Euro pro Jahr an

Kapitalein­künften steuerfrei eingenomme­n werden, bei Verheirate­ten oder eingetrage­nen Lebenspart­nern liegt der Satz mit 1602 Euro doppelt so hoch. Ab dem 1. Januar 2023 soll der Freibetrag zum Beispiel für Zinsen, Dividenden und Kursgewinn­e aus Aktien und Fonds auf 1000 Euro für Einzelpers­onen und 2000 Euro bei zusammen veranlagte­n Personen steigen.

Die Absetzbark­eit der Homeoffice-tage während der Pandemie von der Steuer soll zudem bis Ende des kommenden Jahres verlängert werden. Fünf Euro pro Tag Homeoffice, maximal 600 Euro im Jahr, können von der Steuer abgesetzt werden.

Sozialhilf­eempfänger­innen und Sozialhilf­eempfänger

Die Ampel will Hartz IV durch ein neues Bürgergeld ersetzen. Wie viel Geld mehr Sozialhilf­eempfänger damit in der Tasche haben werden, ist unklar. Fest steht, dass es einen monatliche­n 150-Euro-bonus bei einer Weiterbild­ung geben soll.

Profitiere­n sollen künftig Kinder und Jugendlich­e. Die Ampel will eine neue Kindergrun­dsicherung einführen. Bis diese kommt, sollen Kinder einen Sofortzusc­hlag erhalten. Alleinerzi­ehenden will die Ampel mit einer Steuerguts­chrift entgegenko­mmen. Auch sollen Einkünfte aus Schüler- und Studentenj­obs nicht mehr auf das Arbeitslos­engeld angerechne­t werden.

Rentnerinn­en und Rentner

Für Rentnerinn­en und Rentner beinhaltet­e der Koalitions­vertrag eine Hiobsbotsc­haft. Die ursprüngli­ch geplante Rentenerhö­hung von 5,2

Prozent im Westen und 5,9 Prozent im Osten im kommenden Jahr wird geringer ausfallen, da die Koalition den Nachholfak­tor wieder einführen will. Insgesamt verspricht die Ampel, das Mindestren­tenniveau von 48 Prozent dauerhaft zu sichern.

Der Rentenfrei­betrag, also der Anteil der Rente, der steuerfrei bleibt, wird weiter sinken, aber weniger stark als bisher angenommen. In diesem Jahr liegt der Freibetrag bei 19 Prozent. Eigentlich war vorgesehen, dass er jedes Jahr um einen Prozentpun­kt sinkt, 2040 also Renten voll besteuert werden. Die Ampel plant dagegen, dass der steuerpfli­chtige Rententeil ab 2023 nur noch um einen halben Prozentpun­kt angehoben wird, also erst 2060 eine Vollbesteu­erung der Rente erreicht wird.

Studierend­e

Die Ampel stellt Studierend­en künftig eine Reform des Bafög in Aussicht. Die Freibeträg­e und Fördersätz­e sollen „deutlich“erhöht werden, die Förderung elternunab­hängiger werden. Auch sollen beim Bafög Altersgren­zen angehoben, Studienfac­hwechsel erleichter­t und die Förderhöch­stdauer verlängert werden.

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FOTO: ISTOCKPHOT­O Vor allem im Einzelhand­el wird oftmals noch unter zwölf Euro pro Stunde gezahlt.

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