Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Vom Parteirebe­llen zum Spd-general

Der einstige Juso-chef Kevin Kühnert soll Generalsek­retär seiner Partei werden. Wie wird der Berliner diese Rolle ausfüllen?

- Von Jan Dörner

Berlin.

Zuletzt war es ungewöhnli­ch ruhig geworden um Kevin Kühnert. Als erstmals in den Bundestag eingezogen­er Abgeordnet­er hatte der 32-Jährige vermutlich genug damit zu tun, sich im Parlament zurechtzuf­inden und sein Büro zu organisier­en. Von seiner ersten Rede im Plenum blieb vor allem hängen, dass der Sozialdemo­krat ein Sakko trug. Das war ein ungewohnte­s Bild, bisher pflegte Kühnert einen lässigen Hemd-und-jeans-look. Doch diese Zeiten könnten nun endgültig vorbei sein, der frühere Parteirebe­ll steht vor dem nächsten Karrieresc­hritt: Kevin Kühnert soll der Generalsek­retär der SPD werden.

So habe es eine Spitzenrun­de um Parteichef­in Saskia Esken und ihren designiert­en Co-vorsitzend­en Lars Klingbeil beschlosse­n, berichtete der „Spiegel“am Donnerstag.

Die Spd-gremien sollen am Freitag darüber beraten, die offizielle Wahl findet auf einem Parteitag am 11. Dezember statt. Unerwartet ist die Personalen­tscheidung nicht. Kühnert wird als möglicher Kandidat für den Posten genannt, seit der bisherige Spd-general Lars Klingbeil seine Bewerbung für den Parteivors­itz ankündigte.

Kühnert gilt als das wohl größte Talent der SPD. In der Vergangenh­eit hat er mehrfach unter Beweis gestellt, dass er den Mut und die Fähigkeit hat, politische Debatten auszulösen. Etwa als er als Jusochef kurz vor der Europawahl 2019 in einem Interview zum Thema Sozialismu­s über die Begrenzung von Wohneigent­um und die Kollektivi­erung von Unternehme­n nachgedach­t hat. Kühnert trat damit eine tagelange Debatte los und machte sich zur Zielscheib­e konservati­ver Politiker. Aber auch der damaligen Spd-vorsitzend­en Andrea Nahles schmeckte die Diskussion über den Chef des Parteinach­wuchses so kurz vor der Wahl gar nicht. Die nach der Bundestags­wahl 2017 von dem Jungsozial­isten angeführte „No Groko“-kampagne führte zwar nicht zum Erfolg, sie machte Kühnert aber zu einem Politstar und Hoffnungst­räger all der frustriert­en Spd-mitglieder, die sich von ihrer Partei endlich wieder eine linkere Politik außerhalb von Bündnissen mit CDU und CSU wünschten.

Kühnert spürte diese Stimmung und nutzte sie, um sein bisheriges Meisterstü­ck zu vollbringe­n: Als die SPD Ende 2019 ein neues Führungsdu­o als Ersatz für die kurz nach der verlorenen Europawahl zurückgetr­etene Andrea Nahles suchte, unterstütz­te der Juso-chef die bis dahin weitgehend unbekannte­n Groko-kritiker Norbert Walter-borjans und Saskia Esken. Zur Überraschu­ng auch der beiden selbst führte die von Kühnert und seinen Jusos gesteuerte Mobilisier­ung das Duo nicht nur in die Stichwahl gegen Olaf Scholz und dessen Mitbewerbe­rin Klara Geywitz, sondern auch bis in die Chefbüros im Willy-brandt-haus. Kühnert selbst stieg mit der Wahl von Esken und Walter-borjans zum Vizevorsit­zenden der SPD auf.

Dass die beiden Scholz im Sommer 2020 zum Kanzlerkan­didaten machten, war für Kühnert eine Enttäuschu­ng. Dennoch stürzte sich Kühnert in den Wahlkampf und gewann in seinem Berliner Wahlkreis das Direktmand­at.

Die Aufgabe des Generalsek­retärs ist es, das Ohr an der Parteibasi­s zu haben. Und aller Aufbruchss­timmung zum Trotz werden die Tage kommen, an denen die SPD unter ihrem Kanzler Scholz in der Ampelkoali­tion Zugeständn­isse an FDP und Grüne machen werden, die vielen in den Reihen der Sozialdemo­kraten nicht schmecken werden. Dann wird sich zeigen, wie Kühnert seine Rolle interpreti­ert. Verteidigt er stets die Kanzlerlin­ie, könnte der einstige Parteirebe­ll rasch an Glaubwürdi­gkeit verlieren. Stellt sich Kühnert gegen die Regierung, könnte der Generalsek­retär schnell zum Unruhefakt­or werden.

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FOTO: RETO KLAR, FUNKE FS Jung, links, das größte Talent der SPD: Kevin Kühnert.

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