Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Als hallten die Worte bis in die Gegenwart
In der Reihe „Neu aufgeblättert“widmet sich die Erfurter Herbstlese unbekannten frühen Texten von Stefan Heym
Wie übersetzt man einen wichtigen Schriftsteller der deutschsprachigen Literatur aus dem englischen Original ins Deutsche? Das ist eine der spannenden Fragen an diesem Abend, bei der es still wird im Saal der Erfurter Zentralheize, als hielte das Publikum den Atem an. In der Reihe „Neu aufgeblättert“geht es um Stefan Heym, den großen deutschen Autor von Büchern wie „Kreuzfahrer von heute“(The Crusaders) oder „Der König David Bericht“. Gäste von Moderator Torsten Unger sind der Übersetzer Bernhard Robben und der Schauspieler Robert Stadlober. Der eine hat gerade Heyms ersten
Roman „Flammender Frieden“über die Landung der Amerikaner in Algerien erstmals aus der englischen Urfassung ins Deutsche übertragen. Der andere vertonte frühe Gedichte aus den 1930ern, die Heyms Frau und Witwe Inge Heym vor einigen Jahren aus den Archiven ausgrub, und spielte sie mit Freunden für eine CD ein.
Gewidmet ist der Abend vor allem diesem frühen Heym. Gewürdigt wird er als politischer und widerständiger Mensch. Als Schüler sei Heym auch wegen seiner Gedichte von den Nazis der Schule verwiesen und ins amerikanische Exil vertrieben worden. Mit der Usarmy kehrte er als einer der Befreier zurück nach Europa, um später unangepasst in der DDR zu leben. Unvergessen seine Worte bei der große Wende-demo am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz: „Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen...“Stadlober hat seiner CD den Titel „Vom Aufstoßen der Fenster“gegeben.
Man könne schon in dem frühen Texten auf das spätere Leben Heyms blicken, sagt Robben. Sein Demokratieverständnis, der Glaube an eine Welt ohne Krieg, sein Humanismus seien überall mit drin. Um die Demokratie zu verteidigen, müsse man sie manchmal aufgeben, sagt einer der Soldaten im Buch. Für die Runde auf dem Podium hallen die Worte als zeitloses Echo bis in die Gegenwart. Auf Englisch habe Heym kürzer, prägnanter geschrieben, seine deutschen Texte seien erzählender, barocker, sagt Robben. In der Vermittlung bestehe die Herausforderung.
Der 39-jährige Robert Stadlober, outet sich als großen Heym-verehrer, ohne ihn persönlich gekannt zu haben. Die Gedichte seien ihm zugeflogen, die Melodien dazu dann, während der Pandemie mit den eigenen Kindern auf dem Land, wie von selbst aus ihm geflossen. Die Verse handeln von Flucht, Heimatlosigkeit, Liebe, Trauer und Krieg. Nach der Lesung singt der Schauspieler einige davon und begleitet sich dazu auf der Gitarre. Es ist der emotionale Abschluss eines durchweg inspirierenden Abends.