Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Paule Panke und die anderen

Pankow war eine der beliebtest­en Rockbands der 80er-jahre in der DDR. Nun wird sie 40 und geht auf Tour

- Von Silke Nauschütz Liebenhof/cottbus.

Ob es Frauenfigu­ren wie „Inge Pawelczik“oder Arbeiterju­ngs wie „Paule Panke“immer noch genau so gibt oder „Rock ‘n’ Roll im Stadtpark“getanzt wird, kann nicht so ganz festgemach­t werden. Dass die gleichnami­gen Songs der Band Pankow ihre Zuhörer finden, ist dagegen sicher. Die Musiker touren zum 40-jährigen Jubiläum durch Ostdeutsch­land. „Wir sind mit den Leuten gemeinsam älter geworden, da ist eine Identifika­tion immer noch da“, berichtet Gitarrist Jürgen Ehle. Der 65-Jährige hat durch sein unnachahml­iches Spiel der Band den Sound verpasst. Genau den wollen auch Jahrzehnte nach ihrer Gründung offenbar noch viele hören.

Die Stones des Ostens nennen Pankow manche – zu erzählen ist aber eher, dass die Musiker in der DDR in keine Schablone passten. Die Band schaffte es, eine der einflussre­ichsten im Osten zu werden und dennoch anders zu sein. Vielleicht hat das auch mit dem Beginn der wechselvol­len Geschichte der Band zu tun, die sich aus Musikern der in den Westen gegangenen Veronika Fischer formte. Jürgen Ehle, Frank Hille, Jäcki Reznicek und Rainer Kirchmann holten 1981 den charismati­schen Sänger André Herzberg mit ins Boot. „Das Kreuz auf dem Gesicht des einen bedeutete für den nächsten die Zukunft“, schreibt Herzberg zum Bandeinsta­nd in seinem vor Kurzem erschienen­en Buch „Keine Stars – mein Leben mit Pankow“(Aufbauverl­ag).

Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Band mit ihrem authentisc­hen, deutschspr­achigen Rock den miefig gewordenen ostdeutsch­en Kulturbetr­ieb Anfang der 80er Jahre ordentlich aufwirbelt­e und den Befindlich­keiten der häufig zur wortlosen Masse Gewordenen eine Stimme gab. Das allerdings war oft nicht einfach, erinnert sich Ehle. „Die Glaubwürdi­gkeit nahm ab, je mehr sich Musiker vereinnahm­en ließen.“Als die Texte kritischer und die Beschreibu­ngen des Ddr-alltags genauer wurden, kamen auch die Repressali­en. Die bereits fertig produziert­e LP „Paule Panke“wanderte Jahre in den „Giftschran­k“, obwohl die zugehörige Rockoper live aufgeführt wurde und großen Zuspruch fand. Für Herzberg war die Figur Paule Panke damals „der Gegenentwu­rf zur Ideologie des kommunisti­schen Überhelden, der uns propagiert wurde“, wie er unter anderem schreibt. Andere Titel der Band bekamen Rundfunk-verbot. Bei Auftritten kam es mitunter zu absurden Szenen. So durfte 1982 die Geschichte des einvernehm­lichen One-night-stands mit „Inge Pawelczik“einmal nicht öffentlich gesungen werden, weil eine Direktorin gleichen Nachnamens für ein Spielverbo­t gesorgt hatte, wie Herzberg berichtet. Auch die Staatssich­erheit hörte bei Auftritten genau hin. Trotzdem durfte die Band im Westen auftreten, darunter 1984 im

„Quartier Latin“in West-berlin. 1985 tourte die Band durch Westdeutsc­hland. Nach der Tour blieb Schlagzeug­er Hille im Westen, Stefan Dohanetz kam für ihn.

Bis 1985 konnte die Band drei LPS veröffentl­ichen, „Aufruhr in den Augen“(1988) wurde dann zur Chronik der sterbenden DDR. Gemeinsame Konzerte mit der Big Band der sowjetisch­en Streitkräf­te wurden ein Publikumse­rfolg und läuteten 1989 gleichzeit­ig den Abgesang des Landes ein. Mit dem Fall der Mauer sank dann zunächst das Interesse an der ostdeutsch­en Musikszene. Auch Pankow bekam das zu spüren. Umbesetzun­gen kamen hinzu, Pausen und Brüche folgten. Zeitweilig verließ Sänger Herzberg die Band, Andreas (Kulle) Dziuk kam als Keyboarder. Die Nachricht, dass Ehle inoffiziel­ler Mitarbeite­r für die Stasi war, schlug zu dieser Zeit eine Kerbe in die Vertrauthe­it der Musiker untereinan­der.

Doch es ging weiter, die Band feilte an ihrem künstleris­chen Ausdruck und blieb sich treu. Mit ihren Texten blieben sie weiter Chronisten von gesellscha­ftlichen Auf- und Umbrüchen. Auch wenn die Tour zum 40. Geburtstag coronabedi­ngt kleiner ausfällt – jeder zieht sich ein Stück Energie raus, wie Ehle berichtet. Und was hat sich nach 40 Jahren außer Falten im Gesicht noch verändert bei der Band? „Wir waren früher deutlich näher an den Fans dran“, sagt der Gitarrist und schiebt noch lachend hinterher: „Natürlich auch wegen der Mädels.“

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FOTO: BRITTA PEDERSEN / DPA Die Musiker der Band Pankow (von links nach rechts) André Drechsler, Stefan Dohanetz, André Herzberg, Jürgen Ehle und Andreas „Kulle“Dziuk.

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