Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Kaiserin Augusta statt Elephant
Gastbeitrag von Volker Wahl zu den Unterkünften von Thomas Mann während seiner Weimar-aufenthalte
In einem Beitrag über den Abschluss der Sanierungsarbeiten im Hotel „Elephant“in Weimar wurden jüngst Lesungen aus Thomas Manns bekannten Roman „Lotte in Weimar“angekündigt. Ein authentischer Ort für die Weimar-aufenthalte des Autors selbst ist das renommierte Hotel am Markt nur bedingt. Wo auch immer die Defizite zu suchen sind, im fehlenden Wissen oder im Vergessen? Die Aussage über die Beziehungen Thomas Manns zu dem Hotel am Markt stimmt einfach nicht, wenn es in dem Beitrag heißt: „Der Schriftsteller und Goethe-kenner Thomas Mann war regelmäßig im Hotel ‚Elephant‘ zu Gast und setzte in seinem Roman ‚Lotte in Weimar‘ nicht nur Lotte und Goethe, sondern auch dem Haus ein literarisches Denkmal.“
Der Nobelpreisträger für Literatur ist bei seinen fünf Weimar-aufenthalten nie im „Elephant“abgestiegen, hat nur einmal an einem Empfang im Schillerjahr 1955 dort für wenige Stunden mit an der Festtafel gesessen.
Beim ersten Weimar-besuch zu einer Lesung 1910 hat er privat bei einem früheren Schulfreund aus Lübeck in dessen Villa „Haus Roseneck“in der heutigen Helmholtzstraße 15 gewohnt. Vor 1933 hat er in der damaligen thüringischen Landeshauptstadt 1921 und 1932 jeweils im Hotel „Russischer Hof“, das aber zu dieser Zeit „Fürstenhof“hieß, am damaligen Karlsplatz genächtigt.
Bei seinen beiden Aufenthalten nach 1945 – nunmehr als Festredner zu den Goethe- und Schiller-jubiläen in Weimar – hat er beide Male in dem Hotel gegenüber vom Bahnhof, das im Goethejahr 1949 noch „Kaiserin Augusta“hieß und als „Regierungshotel“fungierte, logiert. Das 1938 umgebaute Hotel „Elephant“hatte noch gar nicht wieder den Hotelbetrieb aufgenommen, lediglich der „Elephantenkeller“war für die Bewirtung zugänglich.
Als der Weimarer Ehrenbürger von 1949 zum letzten Mal im Mai 1955 die Festansprache zur Schiller-ehrung der DDR hielt, gehörten die dazu eingeladenen internationalen Teilnehmer zu den ersten Gästen des nun wieder eröffneten Hotelbetriebs. Thomas und Katia Mann waren allerdings noch einmal in dem Hotel am Bahnhof abgestiegen, welches nun aber „International“hieß, während ihre Tochter
Erika, die sie mit ihrem Wagen nach Weimar kutschiert hatte, wie die übrigen ausländischen Gäste im „Elephant“wohnte.
Eintrag als erster Gast im Buch des wiedereröffneten Hotels
Nach der Festrede des Nobelpreisträgers im Deutschen Nationaltheater am 14. Mai 1955 hatte das Schiller-komitee der DDR die Gäste aus dem Ausland zu einem Empfang in das Hotel „Elephant“geladen, und hier an der Festtafel wurde dem nunmehr in der Schweiz lebenden Schriftsteller das neue Gästebuch des Hotels vorgelegt, in dem er sich verewigte: „Es ist mir eine Ehre und Freude, mich nach der Wiedereröffnung als erster Gast des Hauses in dieses Buch einzutragen. Weimar, den 14. Mai 1955 Thomas Mann“. Das ist der historische Beleg, dass er 1955 für wenige Stunden – also nicht „regelmäßig“– hier geweilt hat.
Dass der Schriftsteller in seinem Roman „Lotte in Weimar“die aus Wetzlar angereiste Freundin Charlotte Kestner im Gasthof „Elephant“absteigen ließ, ist auch nicht authentisch. Das führende Hotel war in der Goethezeit und auch noch später der daneben liegende „Erbprinz“, wo die Gäste des Hofes einkehrten. Hier gab es später historische Zimmer, die an Berühmtheiten erinnerten, die sich dort aufgehalten
hatten, wozu auch 1807 Napoleon gehörte. Als der Schriftsteller am 1. August 1949 im Deutschen Nationaltheater zu Weimar die Ehrenbürgerwürde der Stadt erhielt und seine „Ansprache im Goethejahr“vortrug, leitete er sie mit Worten
ein, die dem genio huius loci Weimar galten und bemerkte dabei auch: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie schmerzlich es war, als ich, vor nun mehr schon als einem Jahrzehnt, jenen Goethe-roman, ‚Lotte in Weimar‘, zu schreiben begann
und es mir durch die unselige Lage der Dinge verwehrt war, hierher zu kommen und den Schauplatz meines Buches und die Räume wiederzusehen, in denen Goethe lebte und dichtete und deren erneuter Anblick damals für meine Arbeit so wichtig gewesen wäre. Ich mußte verzichten, es mußte auch ohne sinnliche Anschauung gehen.“
Die Erinnerung an das Hotel „Elephant“spielte dabei keine Rolle, als er im Exil in Amerika von 1936 bis 1939 seinen berühmten Goethe-roman verfasste.
Das kleine Bild zeigt Thomas und Katia Mann in Begleitung von Johannes R. Becher als Kulturminister der DDR beim Betreten des Festsaales im Hotel „Elephant“am 14. Mai 1955. Die von der Ddr-agentur „Zentralbild“verbreitete Aufnahme hatte als Erläuterung dazu: Nach dem Festakt im Deutschen Nationaltheater in Weimar wurde im Hotel „Elephant“ein kleines Essen im engsten Kreise für den deutschen großen Dichter Thomas Mann gegeben.
Die nächste Lesung der Schauspielerin Johanna Geißler aus „Lotte in Weimar“findet am Sonntag, 26. März, 18 Uhr im Hotel Elephant in Weimar statt.