Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Was bringt Beten für den Frieden?
Die evangelische Gemeinde in Mühlhausen lädt ein zu verschiedenen Aktionen und will Position beziehen
Eine große Friedenstaube an der Marienkirche. Ein Kreuz mit Nägeln in Sankt Nikolai am Bastmarkt. Die evangelische Kirchengemeinde in Mühlhausen möchte Position beziehen. Und das auf unterschiedliche Weise: Die Aktion an der Marienkirche ist an die Stadtgesellschaft gerichtet, die in der Nikolaikirche eher an die Christen der Region, sagt Benjamin Themel.
Er ist einer von drei Pfarrern für die Kirchengemeinde Mühlhausen. „Wir wollen den Menschen ermöglichen, zur Sprache zu bringen, was sie bewegt. Wir spüren, wie die Menschen die Fülle an Ereignissen
in unserer Gesellschaft und in der Welt bewegt, dass es Gräben bringt, Konflikte in Freundes- und Familienkreisen. Es ist unser Angebot, die Sorgen vor Gott zu bringen. Es stärkt, unter Gleichgesinnten zu sein.“
Sorgen ans Kreuz von St. Nikolai in Mühlhausen nageln
Noch zweimal vor Ostern, immer mittwochmittags, wolle man an der Marienkirche eine Taube mit Friedenswünschen
federn. Die Taube ist von jungen Leuten aus der Jugendkirche angefertigt worden.
Am ersten Donnerstag im Monat ist jeweils in die Nikolaikirche eingeladen zu einem Friedensgebet, das liturgischen Charakter trägt. An einem Holzkreuz lassen sich Nägel einschlagen, sind Besucher aufgefordert, ihre Sorgen buchstäblich ans Kreuz zu nageln.
Die Nägel bleiben über die verschiedenen Friedensgebets-donnerstage
stecken. Man spüre auch unter den Christen der Gemeinde eine Hilflosigkeit, eine Wut, dass zu wenig passiert, um Frieden zu schaffen, sagt Pfarrer Marc Pokoj.
Und dabei sind sich auch die Christen nicht einig, wie denn der richtige Weg sein kann. Der Bischof fordert eine Stärkung des Friedens, die EKD, die Evangelische Kirche Deutschland, dass man die Ukrainer nicht allein lassen soll. „Natürlich ist es einfach zu sagen, man sollte keine Waffen mehr liefern. Doch in einem Gespräch mit einem Ukrainer habe ich dann auch zur Antwort bekommen: Ihr müsst die Angriffe auch nicht aushalten“, sagt Themel.
Gemeinsam mit seinen beiden Pfarrerskollegen gehört er zu den Mitorganisatoren einer nächsten Friedensdemonstration, die für den 17. April, 17 Uhr auf dem Mühlhäuser Obermarkt geplant ist. Weitere sollen folgen. Ein klares Bekenntnis von der evangelischen Kirche gab es jetzt auch zum Umgang mit der AFD. „Wer das Evangelium liest, der wird merken: Es ist hochpolitisch. Es sagt uns: Jeder ist das Ebenbild Gottes. Und wer die Würde des Menschen antastet, der hat für uns die rote Linie überschritten“, sagt Pfarrer Marcus Ebert.
Was alle drei Mühlhäuser Pfarrer irritiert, ist das fehlende Verständnis für Flucht. „Wir spüren bei fast jedem Trauergespräch und immer, wenn wir es in den verschiedenen Kreisen in unserer Gemeinde ansprechen: In nahezu jeder Familie gab es eine Fluchtthematik. Es müsste also ein viel größeres Verständnis für Geflüchtete in der Gesellschaft herrschen.“
Pokoj weiß aus seinem familiären Erleben, der Vater kam aus Rumänien, die Mutter aus Ostpreußen, Geflüchtete waren schon vor sieben Jahrzehnten nicht willkommen.
Als evangelische Kirchgemeinde stehe man auch für Versöhnung. „Wenn sich 30 Prozent unserer Thüringer Wähler zur AFD hingezogen fühlen, dann kann man das nicht negieren. Wir schlagen ihnen nicht die Tür zu, wohl aber der Ideologie, der sie folgen,“sagt Ebert.
Wenn sich 30 Prozent unserer Thüringer Wähler zur AFD hingezogen fühlen, dann kann man das nicht negieren. Wir schlagen ihnen nicht die Tür zu. Marcus Ebert, evangelischer Pfarrer in Mühlhausen