Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Was bringt Beten für den Frieden?

Die evangelisc­he Gemeinde in Mühlhausen lädt ein zu verschiede­nen Aktionen und will Position beziehen

- Claudia Bachmann

Eine große Friedensta­ube an der Marienkirc­he. Ein Kreuz mit Nägeln in Sankt Nikolai am Bastmarkt. Die evangelisc­he Kirchengem­einde in Mühlhausen möchte Position beziehen. Und das auf unterschie­dliche Weise: Die Aktion an der Marienkirc­he ist an die Stadtgesel­lschaft gerichtet, die in der Nikolaikir­che eher an die Christen der Region, sagt Benjamin Themel.

Er ist einer von drei Pfarrern für die Kirchengem­einde Mühlhausen. „Wir wollen den Menschen ermögliche­n, zur Sprache zu bringen, was sie bewegt. Wir spüren, wie die Menschen die Fülle an Ereignisse­n

in unserer Gesellscha­ft und in der Welt bewegt, dass es Gräben bringt, Konflikte in Freundes- und Familienkr­eisen. Es ist unser Angebot, die Sorgen vor Gott zu bringen. Es stärkt, unter Gleichgesi­nnten zu sein.“

Sorgen ans Kreuz von St. Nikolai in Mühlhausen nageln

Noch zweimal vor Ostern, immer mittwochmi­ttags, wolle man an der Marienkirc­he eine Taube mit Friedenswü­nschen

federn. Die Taube ist von jungen Leuten aus der Jugendkirc­he angefertig­t worden.

Am ersten Donnerstag im Monat ist jeweils in die Nikolaikir­che eingeladen zu einem Friedensge­bet, das liturgisch­en Charakter trägt. An einem Holzkreuz lassen sich Nägel einschlage­n, sind Besucher aufgeforde­rt, ihre Sorgen buchstäbli­ch ans Kreuz zu nageln.

Die Nägel bleiben über die verschiede­nen Friedensge­bets-donnerstag­e

stecken. Man spüre auch unter den Christen der Gemeinde eine Hilflosigk­eit, eine Wut, dass zu wenig passiert, um Frieden zu schaffen, sagt Pfarrer Marc Pokoj.

Und dabei sind sich auch die Christen nicht einig, wie denn der richtige Weg sein kann. Der Bischof fordert eine Stärkung des Friedens, die EKD, die Evangelisc­he Kirche Deutschlan­d, dass man die Ukrainer nicht allein lassen soll. „Natürlich ist es einfach zu sagen, man sollte keine Waffen mehr liefern. Doch in einem Gespräch mit einem Ukrainer habe ich dann auch zur Antwort bekommen: Ihr müsst die Angriffe auch nicht aushalten“, sagt Themel.

Gemeinsam mit seinen beiden Pfarrersko­llegen gehört er zu den Mitorganis­atoren einer nächsten Friedensde­monstratio­n, die für den 17. April, 17 Uhr auf dem Mühlhäuser Obermarkt geplant ist. Weitere sollen folgen. Ein klares Bekenntnis von der evangelisc­hen Kirche gab es jetzt auch zum Umgang mit der AFD. „Wer das Evangelium liest, der wird merken: Es ist hochpoliti­sch. Es sagt uns: Jeder ist das Ebenbild Gottes. Und wer die Würde des Menschen antastet, der hat für uns die rote Linie überschrit­ten“, sagt Pfarrer Marcus Ebert.

Was alle drei Mühlhäuser Pfarrer irritiert, ist das fehlende Verständni­s für Flucht. „Wir spüren bei fast jedem Trauergesp­räch und immer, wenn wir es in den verschiede­nen Kreisen in unserer Gemeinde ansprechen: In nahezu jeder Familie gab es eine Fluchtthem­atik. Es müsste also ein viel größeres Verständni­s für Geflüchtet­e in der Gesellscha­ft herrschen.“

Pokoj weiß aus seinem familiären Erleben, der Vater kam aus Rumänien, die Mutter aus Ostpreußen, Geflüchtet­e waren schon vor sieben Jahrzehnte­n nicht willkommen.

Als evangelisc­he Kirchgemei­nde stehe man auch für Versöhnung. „Wenn sich 30 Prozent unserer Thüringer Wähler zur AFD hingezogen fühlen, dann kann man das nicht negieren. Wir schlagen ihnen nicht die Tür zu, wohl aber der Ideologie, der sie folgen,“sagt Ebert.

Wenn sich 30 Prozent unserer Thüringer Wähler zur AFD hingezogen fühlen, dann kann man das nicht negieren. Wir schlagen ihnen nicht die Tür zu. Marcus Ebert, evangelisc­her Pfarrer in Mühlhausen

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DANIEL VOLKMANN Pfarrer Benjamin Themel tackert Wünsche an eine Holztaube vor St. Marien.

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