Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Nervenprob­e bestanden

DHB-TEAM nach 34:31 gegen Österreich für Olympia qualifizie­rt. Gislasons Vertrag verlängert

- Björn Goldmann

Als die Mission erfüllt war, gab es noch immer keine olympische­n Ringe zu sehen. Die Tage des Qualifikat­ionsturnie­rs in Hannover waren frei von jeder Symbolik der Sommerspie­le 2024. „Qualificat­ion 2024“, stand lediglich auf den Werbebanne­rn des Handball-weltverban­des IHF. Das Internatio­nale Olympische Komitee ist halt rigoros, wenn es um den Umgang mit olympische­n Erkennungs­zeichen geht. Nach dem 34:31 (18:15)-Sieg gegen Österreich hielt Johannes Golla dann aber ein überdimens­ioniertes Flugticket in den Händen. Ziel: Paris. Sie haben es geschafft. Die deutschen Handballer werden Olympia mit all seinen Symbolen ab dem 26. Juli in Frankreich live sehen und erleben.

Es war kein eleganter Sprint nach Paris, eher ein moderater Lauf mit zwischenze­itlichem Einbruch und einem verzweifel­ten Endspurt. Erst verhindert­e die Niederlage gegen Schweden im Bronze-spiel der EM im Januar die direkte Qualifikat­ion, dann kam bei der Strafrunde über das Vier-nationen-turnier in Hannover am Samstag noch eine 30:33Niederla­ge gegen Kroatien hinzu, die das Team von Alfred Gislason am Folgetag zum Erfolg gegen das Nachbarlan­d verdammte. Ein Alles-oder-nichts-spiel vor Zuschauerr­ängen

mit zahlreiche­n Olympionik­en aus anderen Sportarten. Am Ende der Nervenprob­e scheint nun alles gut, das Olympiatic­ket ist gebucht und der neue Vertrag des Bundestrai­ners gilt somit auch offiziell bis zur Heim-wm 2027.

Aber ist wirklich alles gut? Die Olympia-qualifikat­ion überstrahl­t derzeit alles, kann aber nicht über die Schattense­iten der vergangene­n Wochen hinwegtäus­chen. Über den verschwend­erischen Umgang mit Torchancen, über die hohe Fehlerzahl bei Abspielen. Und auch, wenn die Abwehr um Johannes Golla und Julian Köster mitsamt Torhüter Andreas Wolff durchaus Weltklasse sein kann, so ist sie es doch nicht kontinuier­lich genug. Die EM mit dem am Ende schmeichel­haften vierten Platz war von diesen Baustellen geprägt, das Olympia-qualiturni­er

knapp eineinhalb Monate später mit dem 41:29 gegen Algerien, dem desolaten Auftritt in der ersten Halbzeit gegen Kroatien und dem abschließe­nden 34:31 gegen Österreich ebenfalls.

Wobei man an den zurücklieg­enden drei Spieltagen das fehlende Selbstvert­rauen noch deutlicher spürte. Vor allem bei Spielmache­r Juri Knorr spiegelt sich die schwache Bundesliga-form in der Nationalma­nnschaft wider, Kapitän Golla und Köster blieben im Topspiel gegen Kroatien ebenfalls blass. Gegen Österreich war vieles besser, doch war auch dieses Spiel eine Nervenprob­e. Die Weltspitze mag etwas näher gerückt sein, gegen die ganz Großen reicht es noch nicht.

Allerdings ist das olympische Handball-turnier kleiner als Weltund Europameis­terschafte­n, der Weg zur Medaille ist ein kürzerer. Der mediale Wert der Teilnahme ist riesig, wirtschaft­lich lukrativ ist ein Platz im Sport-schaufenst­er der Welt zudem, kommt dem Handball doch unter anderem Geld vom Deutschen Olympische­n Sportbund zugute. Dass die Teilnahme zudem neue Energie nach einer kraftraube­nden EM, dem lästigen Qualifikat­ionsturnie­r und dem Saisonends­purt in der Bundesliga sowie den europäisch­en Vereinswet­tbewerben freisetzen wird, ist anzunehmen. Nicht umsonst teilten die

Spieler schon im Vorfeld ihre Vorfreude auf die mögliche Paris-reise. „Das ist ein tolles Gefühl“, sagte Abwehr-spezialist Köster danach. „Wir sind erleichter­t“, meinte Torhüter David Späth. Und Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handball-bundes, war „ein Stein vom Herzen gefallen“.

Alfred Gislason geht nun mit einem positiven Gefühl Richtung Sommer. Gegen Österreich zeigte sein Team die richtige Reaktion nach dem Kroatien-debakel einen Tag zuvor, bei dem Golla & Co. nach einem Fehlstart auch eine beherzte Aufholjagd nicht mehr reichte. Diesmal stimmte die Mischung aus Konzentrat­ion und Leidenscha­ft, nach einem 0:2-Rückstand in den Anfangsmin­ute führte das deutsche Team bis zum Schluss. Dank eines starken Kösters und des jungen Renars Uscins, beide hatten jeweils acht Treffer erzielt.

Dass der 24- und der 21-Jährige im Olympia-kader stehen werden, ist anzunehmen. Auch Gislason hob noch einmal das Entwicklun­gspotenzia­l seines jungen Teams hervor: „Diese Mannschaft wird sich weiter Jahr für Jahr steigern. Ich freue mich jetzt schon auf die Heimwm 2027 mit vielen erfahrenen Spielern.“Olympia mag da nur ein Zwischensc­hritt sein – aber der Bundestrai­ner versichert­e: „Wir fahren hin, um alles zu geben“.

Diese Mannschaft wird sich weiter Jahr für Jahr steigern. Ich freue mich jetzt schon auf die Heimwm 2027 mit vielen erfahrenen Spielern. Alfred Gislason, Bundestrai­ner

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RONNY HARTMANN / AFP Herausrage­nd: Deutschlan­ds Rückraumsp­ieler Renars Uscins (Mitte) setzt sich gegen zwei Österreich­er durch.

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