Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Zum Schutze aller
Mit öffentlichen Ratschlägen an andere Länder sollten sich Regierungschefs zurückhalten. Das gilt ganz allgemein – aber erst recht, wenn es um Deutschland und Israel geht. Manchmal aber ist die Situation so ernst, dass ein Abweichen von dieser Regel sinnvoll erscheint. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sah am Montag die Bedingungen dafür erfüllt: Er riet Israel, sich nach dem iranischen Großangriff aktiv um Deeskalation zu bemühen.
Irans Angriff sei „präzedenzlos“, die Aggression müsse enden, sagte der Kanzler. Aber: Die weitgehend erfolgreiche Abwehr der rund 300 Drohnen und Raketen sei für Israel „ein Erfolg, der vielleicht auch nicht verschenkt werden sollte“. Scholz ergänzte: „Deswegen auch
unser Ratschlag, selbst zur Deeskalation beizutragen.“
Wenn der deutsche Kanzler den Israelis nun öffentlich zur Deeskalation rät, dann geschieht das nicht uneigennützig. Denn es ist nicht auszuschließen, dass irgendwann eine Situation entstehen könnte, in der sich die Frage nach der Solidarität mit dem jüdischen Staat ganz neu und ganz anders stellt als bisher. Die Atommacht Israel verfügt über eine hochmoderne, schlagkräftige Armee. Nicht einmal das schwer bewaffnete Mullah-regime im Iran wird sich leichtfertig auf einen militärischen Großkonflikt mit dem jüdischen Staat einlassen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass es dazu kommt.
Doch der befürchtete Flächenbrand im Nahen Osten kann mit Besonnenheit und Diplomatie verhindert werden. Genau darum bemühen sich gerade zahlreiche Akteure. So gesehen lässt sich der Ratschlag des Kanzlers auch als Appell an Israel verstehen, Deutschland und seine Verbündeten nicht in eine unmögliche Situation zu bringen.