Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
Der lange Arm der Mullahs
Regimegegner werden eingeschüchtert und Ziele ausgespäht. Irans Geheimdienstaktivitäten sorgen deutsche Behörden
Die Tourismus-seiten der Hansestadt schwärmen. „Ein kleines Stück Orient im Herzen Hamburgs“, schreibt ein Portal. Ein Unternehmen für Stadtrundfahrten wirbt mit der „orientalischen Schönheit“. Mitten in der Stadt, direkt am Alsterufer, liegt die „Blaue Moschee“, hohe Minarette, schmucke Mosaike, eine große Kuppel in Himmelblau.
Doch nicht nur Touristen kommen hier regelmäßig vorbei, sondern auch Verfassungsschützer. Seit vielen Jahren beobachten die Sicherheitsbehörden die Aktivitäten in der Moschee an der Alster, die zum Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) gehört. Der Inlandsnachrichtendienst beschreibt 2022 den Verein neben der iranischen Botschaft als „bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa“. Die Abgeordneten der Ampel-regierung sprechen in einem gemeinsamen Antrag im Bundestag von der „Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland“.
2022 wies die Bundesrepublik den damaligen Vizevorsitzenden des IZH aus. Und im November vergangenen Jahres durchsuchten Polizisten die Räume der Moschee, beschlagnahmten Computer, Handys, Bargeld, Flugblätter. Nicht nur in Hamburg, auch in anderen Bundesländern ging das Bundesinnenministerium gegen Trägervereine vor, 800 Beamten waren im Einsatz. Es war für die Bundesregierung ein Schlag gegen iranischen Einfluss. Gegen den verlängerten Arm der Mullahs in Deutschland.
Der iranische Geheimdienst agiert auch hier in Deutschland. Regimegegner werden angefeindet und bedroht, jüdische und israelische Ziele ausgespäht. So ist es seit Jahren. Doch nun hat der Iran erstmals in der Geschichte den Erzfeind Israel direkt angegriffen, mit Drohnen und Marschflugkörpern. Wieder eskaliert die Gewalt in Nahost. Was weit weg erscheint, wirkt bis nach Deutschland. Der Iran unterstützt die Terrororganisation Hamas finanziell und mit Waffen.
Innenministerin möchte auch Geflüchtete vor Regime schützen
„Das Mullah-regime ist ein Regime der Unterdrückung“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unserer Redaktion. Und es agiere auch in Deutschland. „Nicht wenige Iranerinnen und Iraner leben in Deutschland, um vor dieser
Schreckensherrschaft in Sicherheit zu sein.“Doch bis hierher agiere auch das iranische Regime, Faeser sieht „mögliche Einschüchterungsversuche und Bedrohungen“.
Der Cdu-innenexperte Christoph de Vries geht weiter, sagt, Deutschland sei „ein zentraler Aktionsund Operationsraum“des iranischen Regimes. Oppositionelle im Exil würden „systematisch eingeschüchtert“. Es ist auch das, was mehrere Iranerinnen und Iraner unserer Redaktion berichten. Drohungen am Rande von Demonstrationen, Drohnachrichten aufs Handy mit „unbekanntem Absender“. Einzelne Regimekritiker erzählen von „Besuchen“zu Hause, nicht in Teheran, sondern mitten in Deutschland.
Gerade in der Zeit, in der viele Menschen in Deutschland für die Protestbewegung in Iran demonstriert hatten und Solidarität mit den unterdrückten Frauen zeigten, seien Kritiker des Regimes unter Druck gesetzt worden. So berichtet es uns eine Ärztin aus Essen schon vor einem Jahr. Heute übt sie scharfe Kritik an westlichen Regierungen. Es sei versäumt worden, die iranische Eliteeinheit der „Revolutionsgarden“als Terrororganisation einzustufen. Stattdessen habe es weiterhin diplomatische Beziehungen und wirtschaftliche Beziehungen und Förderprogramme gepflegt. „Das hat den langen Arm der Mullahs weiter wachsen lassen.“
Neben dem iranischen Geheimdienst MOIS ist die auch „Quds
Force“der iranischen „Revolutionsgarden“in Deutschland aktiv, verantwortlich für Operationen im Ausland. In Nordrhein-westfalen verurteilte ein Gericht einen Deutsch-iraner, der 2022 einen Anschlag auf eine jüdische Synagoge in Bochum geplant hatte – und versehentlich eine Schule traf. Die Bundesregierung schaltete sich in den Fall ein, denn sie sah im Hintergrund der Tat eine Beteiligung iranischer staatlicher Stellen.
Schon der Terrorangriff der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober sowie die militärische Reaktion Israels haben die islamistische Szene in Deutschland emotional aufgeheizt – und radikalisiert. Mitarbeiter in den Sicherheitsbehörden sehen wieder hohe Aktivitäten gewaltbereiter radikaler Muslime in Deutschland, mehrfach gab es zuletzt Festnahmen wegen des Verdachts einer bevorstehenden schweren Gewalttat, zuletzt etwa in Nordrhein-westfalen, wo mehrere Jugendliche ein Attentat mit Molotowcocktails geplant haben sollen.
Salafisten haben wenig mit der palästinensischen Szene zu tun, Schiiten wenig mit Sunniten. Doch eines eint radikale Muslime: der Hass gegen Israel. Und den pflegt
auch das Regime in Teheran. Bildet sich eine neue gewaltbereite Achse? Erst vor wenigen Monaten ließ der Generalbundesanwalt mehrere mutmaßliche Hamas-mitglieder festnehmen. Der Verdacht: Die Isla- misten sollen Anschläge auf jüdi- sche Einrichtungen in Europa vor- bereitet haben. Die Männer sitzen in Untersuchungshaft. In Bulgarien entdeckten Ermittler laut Medien- berichten ein Waffendepot.
Lange galt Europa als „Ruhe- raum“der Hamas, sagt ein Sicher- heitsbeamter unserer Redaktion. Als Rückzugsort. Doch mehr und mehr rücken Länder wie Deutschland offenbar wieder in den Fokus von Gewalttaten. Konkrete An- schlagspläne sind den Behörden bisher nicht bekannt. Und vieles hängt davon ab, wie sich nun die La- ge in Nahost entwickelt.
Politiker fordern nun ein weiteres hartes Vorgehen. Die Schließung des IZH sei „längst überfällig“, sagt Innenpolitiker de Vries. Es stelle sich die Frage, „warum Innenministerin Faeser hier nicht endlich liefert“. Die Innenministerin verwies auf die laufenden Ermittlungen. Das vor Kurzem bei der Großrazzia sichergestellte Material werde in- tensiv ausgewertet, sagte Faeser.