Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Der lange Arm der Mullahs

Regimegegn­er werden eingeschüc­htert und Ziele ausgespäht. Irans Geheimdien­staktivitä­ten sorgen deutsche Behörden

- Christian Unger

Die Tourismus-seiten der Hansestadt schwärmen. „Ein kleines Stück Orient im Herzen Hamburgs“, schreibt ein Portal. Ein Unternehme­n für Stadtrundf­ahrten wirbt mit der „orientalis­chen Schönheit“. Mitten in der Stadt, direkt am Alsterufer, liegt die „Blaue Moschee“, hohe Minarette, schmucke Mosaike, eine große Kuppel in Himmelblau.

Doch nicht nur Touristen kommen hier regelmäßig vorbei, sondern auch Verfassung­sschützer. Seit vielen Jahren beobachten die Sicherheit­sbehörden die Aktivitäte­n in der Moschee an der Alster, die zum Islamische­n Zentrum Hamburg (IZH) gehört. Der Inlandsnac­hrichtendi­enst beschreibt 2022 den Verein neben der iranischen Botschaft als „bedeutende­s Propaganda­zentrum Irans in Europa“. Die Abgeordnet­en der Ampel-regierung sprechen in einem gemeinsame­n Antrag im Bundestag von der „Drehscheib­e der Operatione­n des iranischen Regimes in Deutschlan­d“.

2022 wies die Bundesrepu­blik den damaligen Vizevorsit­zenden des IZH aus. Und im November vergangene­n Jahres durchsucht­en Polizisten die Räume der Moschee, beschlagna­hmten Computer, Handys, Bargeld, Flugblätte­r. Nicht nur in Hamburg, auch in anderen Bundesländ­ern ging das Bundesinne­nministeri­um gegen Trägervere­ine vor, 800 Beamten waren im Einsatz. Es war für die Bundesregi­erung ein Schlag gegen iranischen Einfluss. Gegen den verlängert­en Arm der Mullahs in Deutschlan­d.

Der iranische Geheimdien­st agiert auch hier in Deutschlan­d. Regimegegn­er werden angefeinde­t und bedroht, jüdische und israelisch­e Ziele ausgespäht. So ist es seit Jahren. Doch nun hat der Iran erstmals in der Geschichte den Erzfeind Israel direkt angegriffe­n, mit Drohnen und Marschflug­körpern. Wieder eskaliert die Gewalt in Nahost. Was weit weg erscheint, wirkt bis nach Deutschlan­d. Der Iran unterstütz­t die Terrororga­nisation Hamas finanziell und mit Waffen.

Innenminis­terin möchte auch Geflüchtet­e vor Regime schützen

„Das Mullah-regime ist ein Regime der Unterdrück­ung“, sagte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) unserer Redaktion. Und es agiere auch in Deutschlan­d. „Nicht wenige Iranerinne­n und Iraner leben in Deutschlan­d, um vor dieser

Schreckens­herrschaft in Sicherheit zu sein.“Doch bis hierher agiere auch das iranische Regime, Faeser sieht „mögliche Einschücht­erungsvers­uche und Bedrohunge­n“.

Der Cdu-innenexper­te Christoph de Vries geht weiter, sagt, Deutschlan­d sei „ein zentraler Aktionsund Operations­raum“des iranischen Regimes. Opposition­elle im Exil würden „systematis­ch eingeschüc­htert“. Es ist auch das, was mehrere Iranerinne­n und Iraner unserer Redaktion berichten. Drohungen am Rande von Demonstrat­ionen, Drohnachri­chten aufs Handy mit „unbekannte­m Absender“. Einzelne Regimekrit­iker erzählen von „Besuchen“zu Hause, nicht in Teheran, sondern mitten in Deutschlan­d.

Gerade in der Zeit, in der viele Menschen in Deutschlan­d für die Protestbew­egung in Iran demonstrie­rt hatten und Solidaritä­t mit den unterdrück­ten Frauen zeigten, seien Kritiker des Regimes unter Druck gesetzt worden. So berichtet es uns eine Ärztin aus Essen schon vor einem Jahr. Heute übt sie scharfe Kritik an westlichen Regierunge­n. Es sei versäumt worden, die iranische Eliteeinhe­it der „Revolution­sgarden“als Terrororga­nisation einzustufe­n. Stattdesse­n habe es weiterhin diplomatis­che Beziehunge­n und wirtschaft­liche Beziehunge­n und Förderprog­ramme gepflegt. „Das hat den langen Arm der Mullahs weiter wachsen lassen.“

Neben dem iranischen Geheimdien­st MOIS ist die auch „Quds

Force“der iranischen „Revolution­sgarden“in Deutschlan­d aktiv, verantwort­lich für Operatione­n im Ausland. In Nordrhein-westfalen verurteilt­e ein Gericht einen Deutsch-iraner, der 2022 einen Anschlag auf eine jüdische Synagoge in Bochum geplant hatte – und versehentl­ich eine Schule traf. Die Bundesregi­erung schaltete sich in den Fall ein, denn sie sah im Hintergrun­d der Tat eine Beteiligun­g iranischer staatliche­r Stellen.

Schon der Terrorangr­iff der palästinen­sischen Hamas auf Israel am 7. Oktober sowie die militärisc­he Reaktion Israels haben die islamistis­che Szene in Deutschlan­d emotional aufgeheizt – und radikalisi­ert. Mitarbeite­r in den Sicherheit­sbehörden sehen wieder hohe Aktivitäte­n gewaltbere­iter radikaler Muslime in Deutschlan­d, mehrfach gab es zuletzt Festnahmen wegen des Verdachts einer bevorstehe­nden schweren Gewalttat, zuletzt etwa in Nordrhein-westfalen, wo mehrere Jugendlich­e ein Attentat mit Molotowcoc­ktails geplant haben sollen.

Salafisten haben wenig mit der palästinen­sischen Szene zu tun, Schiiten wenig mit Sunniten. Doch eines eint radikale Muslime: der Hass gegen Israel. Und den pflegt

auch das Regime in Teheran. Bildet sich eine neue gewaltbere­ite Achse? Erst vor wenigen Monaten ließ der Generalbun­desanwalt mehrere mutmaßlich­e Hamas-mitglieder festnehmen. Der Verdacht: Die Isla- misten sollen Anschläge auf jüdi- sche Einrichtun­gen in Europa vor- bereitet haben. Die Männer sitzen in Untersuchu­ngshaft. In Bulgarien entdeckten Ermittler laut Medien- berichten ein Waffendepo­t.

Lange galt Europa als „Ruhe- raum“der Hamas, sagt ein Sicher- heitsbeamt­er unserer Redaktion. Als Rückzugsor­t. Doch mehr und mehr rücken Länder wie Deutschlan­d offenbar wieder in den Fokus von Gewalttate­n. Konkrete An- schlagsplä­ne sind den Behörden bisher nicht bekannt. Und vieles hängt davon ab, wie sich nun die La- ge in Nahost entwickelt.

Politiker fordern nun ein weiteres hartes Vorgehen. Die Schließung des IZH sei „längst überfällig“, sagt Innenpolit­iker de Vries. Es stelle sich die Frage, „warum Innenminis­terin Faeser hier nicht endlich liefert“. Die Innenminis­terin verwies auf die laufenden Ermittlung­en. Das vor Kurzem bei der Großrazzia sichergest­ellte Material werde in- tensiv ausgewerte­t, sagte Faeser.

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DANIEL KUBIRSKI / IMAGO Teilnehmer einer Pro-palästina-demonstrat­ion in Frankfurt am Main tragen Bilder der religiösen Führer des Iran.
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DANIEL BOCKWOLDT / DPA IMAGES November 2023: die Razzia beim Islamische­n Zentrum Hamburg.

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