Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Gespannt auf neue Sprüche

Leverkusen­s Ehrenspiel­führer Bernd Schneider über den Titel, Alonso und den Unterschie­d zu 2002

- Marco Alles

Jena. Bernd Schneider (50) zählt zu den Leverkusen­er Legenden. Von 1999 bis zu seinem verletzung­sbedingten Karriereen­de 2009 betritt der Jenaer 374 Pflichtspi­ele für den Werksclub (53 Tore) und gehört zu dessen Ehrenspiel­führern.

Was bedeutet dieser erste Meistertit­el für den Verein?

Die Meistersch­aft ist das, wonach man als Fußballer immer strebt. Wir waren damals nah dran und haben uns danach viel anhören müssen – wie „Vizekusen“und so. Dass Bayer jetzt ganz oben steht, ist absolut verdient und eine großartige Leistung. Der ganze Verein, die ganze Stadt, die ganzen Fans haben sich so sehr nach dem Titel gesehnt. Für sie ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Und ganz ehrlich: Ich bin mal auf die neuen Sprüche gespannt.

Wie nahe ging Ihnen der Jubel am Sonntag persönlich?

Ich habe mich einfach gefreut für alle, die daran beteiligt waren oder deren Herz für den Verein schlägt. Das waren andere Szenen als in den letzten Jahren in München; eine andere Leidenscha­ft, andere Emotionen, weil es für Leverkusen eben nicht alltäglich ist. Dieses Datum wird ewig in Erinnerung bleiben.

Was hat Sie am meisten begeistert?

Die gesamte Saison ist Wahnsinn. Selbst jeder andere Fan sagt: Es macht Spaß, sich diesen Fußball anzuschaue­n. Mich beeindruck­t die Kombinatio­n aus erfrischen­der Offensive und starker Defensive. Bei aller Freude über die vielen Tore darf man nicht übersehen, dass Bayer auch die wenigsten Gegentreff­er kassiert hat. Und sie haben nie nachgelass­en, schwierige Situatione­n wie den Afrika-cup mit Ausfällen sowie Verletzung­en gemeistert.

Was war der Schlüssel zum Erfolg?

Natürlich Alonso, der es mit seiner ruhigen Art herausrage­nd macht und jeden mitnimmt. Dazu kommen Spieler wie Wirtz, der nicht nur offensiv glänzt, sondern enorm viel läuft und super gegen den Ball arbeitet, und Xhaka als Lenker und Denker. Tah und Frimpong haben sich extrem weiterentw­ickelt, dazu die anderen Einkäufe, die perfekt

gepasst haben. Die Mannschaft ist auch in der Breite hervorrage­nd aufgestell­t. Das ist vielleicht der größte Unterschie­d zu unserer damals besten Saison 2001/02, als wir dreimal Zweiter geworden sind.

Wie viel Glück war dabei? Stichwort: späte Siege!

Das Quäntchen Glück gehört dazu, wenn man Titel gewinnen will. Dass Bayer oft in den letzten Minuten getroffen und Spiele noch gedreht hat, lag aber vor allem an der Geduld und Ruhe, weiter ihren Plan zu verfolgen. Dadurch wurde der Gegner irgendwann müde, auch mental – und sie schlugen zu. Dieses Selbstvers­tändnis

haben sie sich über die gesamte Saison erarbeitet.

Welchen Anteil hat der Trainer?

Innerhalb von 18 Monaten die Mannschaft vom 17. Platz nach ganz oben geführt zu haben, sagt al- les. Xabi Alonsos ruhige Art, seine klare Ansprache und die akribische Arbeit mit dem gesamten Trainer- team verdient höchstes Lob. Und ich höre selbst von den Einwechsel- spielern nur Positives. Das zeigt, welcher Geist in der Truppe steckt.

Hat es Sie überrascht, dass er trotz vieler Avancen bleibt?

Nicht so sehr. Er ist bodenständ­ig und weiß genau, was er am Verein und an der Mannschaft hat. Und der gemeinsame Weg ist ja noch nicht zu Ende. Ich denke, es tut ihm gut, noch in Leverkusen zu bleiben.

Kann Bayer das Spieljahr ungeschla- gen zu Ende bringen?

Warum nicht? Alles ist möglich, auch wenn in der Liga noch schwe- re Spiele anstehen: Dortmund, Stuttgart oder Frankfurt. Doch ich traue es den Jungs zu. So eine Meis- terschaft setzt noch mal Kräfte frei.

Viele trauen dem Team sogar das Tri- ple zu. Sie auch?

Im Pokalendsp­iel gegen Kaiserslau- tern ist Bayer natürlich klarer Favo- rit; aber Finals müssen auch erst ge- spielt werden. In der Europa League scheidet Liverpool wahr- scheinlich aus, die hatte ich als här- testen Konkurrent­en auf dem Zet- tel. West Ham wird sicher ein heißes Pflaster, doch mit dem 2:0 im Rücken wird es funktionie­ren. Und dann ist alles drin.

Kann Leverkusen die Bayern dauerhaft an der Spitze ablösen?

Das muss man abwarten. Bayern hat die Feierlichk­eiten in Leverkusen mit Sicherheit nicht gerngesehe­n und wird reagieren. Aber ich bin überzeugt: Das Hoch von Bayer wird nächstes Jahr nicht abbrechen.

Ihr zweiter Herzensver­ein ist der FC Carl Zeiss. Wann wird Jena mal wieder einen Meistertit­el feiern?

Ich hoffe, so schnell wie möglich. Schade, dass es in diesem Jahr ohne Aufstiegsr­elegation nicht geklappt hat. Mit dem neuen Stadion im Rücken muss die 3. Liga das Ziel sein.

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 ?? DPA (2), GETTY, TINO ZIPPEL ?? Große Sause nach der feststehen­den Meistersch­aft: Trainer Xavi Alonso erhält von seinen Spielern eine Bierdusche, andere Leverkusen­er feiern mit einer stilisiert­en Meistersch­ale. Zuvor genießt Patrick Schick ein Bad in der Menge. Der frühere Bayer-spieler Bernd Schneider (rechts) ist über den Titel erfreut.
DPA (2), GETTY, TINO ZIPPEL Große Sause nach der feststehen­den Meistersch­aft: Trainer Xavi Alonso erhält von seinen Spielern eine Bierdusche, andere Leverkusen­er feiern mit einer stilisiert­en Meistersch­ale. Zuvor genießt Patrick Schick ein Bad in der Menge. Der frühere Bayer-spieler Bernd Schneider (rechts) ist über den Titel erfreut.
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