Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)
„Beim ersten Schuss habe ich fürchterlich geweint“
Claudia Breit ist Jägerin. In den sozialen Medien klärt sie über ihren Alltag auf – und erntet dafür mitunter Morddrohungen
Sie coacht Jäger für den perfekten Schuss: Claudia Breit ist 26 Jahre alt, Psychologin und Jägerin. Auf ihrem Instagram-kanal hunting.tales folgen ihr Tausende Menschen. Aber sie hat auch mit Anfeindungen zu tun, von Tierschützern, aber auch von Jägern selbst. Ein Gespräch über das Töten, die Liebe zum Tier und die Gefühle, wenn man abdrückt.
Sie sind ausgebildete Psychologin – wie kommt man da zur Jagd?
Claudia Breit: Weil ich die Massentierhaltung nicht unterstütze, kam ich auf die Idee, mich selbst um mein Fleisch zu kümmern. So weiß ich, wie das Tier gelebt hat und wie es gestorben ist. Am Anfang fand ich die Jagd befremdlich.
Als ich den Jagdschein gemacht habe, war ich mir ehrlich gesagt unsicher, ob ich jemals ein Tier erlegen könnte. Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich getraut habe. Ich schieße auch nur, wenn ich weiß, dass mein Schuss zu 100 Prozent tödlich ist.
Wie war das für Sie, als Sie das erste Mal ein Tier erlegt haben?
Das war eine Achterbahn der Gefühle. In dem Moment habe ich mich gefragt, ob ich das überhaupt darf. Was gibt mir das Recht, dieses Tier zu erlegen? Dann habe ich fürchterlich geweint. Ich war wirklich ergriffen, habe mich hingesetzt und mich bei dem
Tier bedankt. Das mache ich auch heute noch. Ich bedanke mich, dass ich von diesem Fleisch leben kann. Der Schuss ist für mich immer ein sehr emotionales Erlebnis.
Trotz dieser Hemmungen sind Sie bei der Jagd geblieben?
Ja. Ich esse nur noch mein Fleisch. Ich bin aber primär bei der Jagd geblieben, weil sie mehr ist als das Schießen. Ich kenne meine Tiere und weiß, welche Wildschweinrotte unterwegs ist oder wer gerade Junge hat. Man setzt sich mit dem Ökosystem auseinander und schaut, welches Tier krank oder alt ist. Ich erlöse auch verletzte Tiere.
Im Winter bestücke ich die Fütterungen, damit die Tiere auch bei viel Schnee eine Lebensgrundlage haben. Die Aspekte der Jagd faszinieren mich. Das Schießen selbst ist ein notwendiges Übel. Das macht die Jagd auch so kontrovers, denn am Ende der Arbeit steht immer ein totes Tier. Das lässt sich nicht verleugnen, aber es gehört dazu.
Auf Instagram haben Sie Tausende Follower. Wieso haben Sie sich dazu entschieden, die Jagd dort zu posten?
Am Anfang habe ich mich allein ge
fühlt. Bei der Jagd war ich emotional und aufgelöst. Ich habe mich immer gefragt, ob deswegen etwas mit mir nicht stimmt. Das habe ich auf Instagram veröffentlicht, mehr aus Eigennutz, um zu gucken, ob ich damit alleinstehe.
Ich habe viel Zuspruch bekommen, von Jägern, denen es ähnlich ging, die niemanden hatten, mit dem sie darüber reden konnten. Ich poste die Jagd auch, weil es an Aufklärung fehlt. Es bringt nichts, wenn wir uns verstecken und uns dann beschweren, wenn uns keiner mag.
Anfeindungen bleiben offenbar nicht aus. Wie gehen Sie damit um?
Es gibt Jagdgegner, die extrem werden können. Das geht bis zu Morddrohungen. Sie behaupten, ich sei der Ursprung allen Übels, weil ich Jägern beibringe zu schießen. Bei denen ist die Aufklärung vergeudete Liebesmüh. Aber mit Menschen, die zuhören und sich informieren, komme ich meistens auf einen Nenner. In der Regel haben wir dasselbe Ziel, wir erreichen es nur anders.
Wen wollen Sie mit ihrer Arbeit auf
Social Media erreichen?
Ich freue mich über jeden Jäger, der den Weg einschlägt, 100 Prozent waidgerecht zu jagen, und über die große Masse, die zuhört und eventuell ihre Meinung ändert. Das ist ein Grund für mich, um weiterzumachen. Um richtig aufzuklären und mit den alten Klischees aufzuräumen, dass wir Jäger nur „Spaß am Morden“hätten, nicht richtig schießen können und alle über 60 seien. Jeder Mensch, der sich damit auseinandersetzt, trägt dazu bei, dass wir alle mit der Jagd etwas Positives bewirken können.
Was bedeutet denn „100 Prozent waidgerecht jagen“?
Für mich bedeutet es: Kein Tier sollte ohne Sinn sterben, kein Tier muss leiden. Ich gerbe meine Rehfelle mittlerweile selbst und nutze die Reste für den Hund. Damit alles einen Sinn hat und nichts aus „Mordlust“geschieht. Man sollte auch alle anderen Aspekte der Jagd mit Passion ausleben, auch wenn es darum geht, Pirschwege sauberzumachen oder den Wald aufzuräumen.
Das Schießen als notwendiges Übel macht die Jagd so kontrovers, denn am Ende steht immer ein totes Tier. Claudia Breit, Jägerin
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Jagd sei Tierquälerei und nur ein Freizeitvergnügen?
Für viele ist die Jagd eine Passion, kein Hobby. Der Meinung bin ich auch. Ich habe mein komplettes Leben der Jagd verschrieben. Die Jagdprüfung ist sehr komplex und beinhaltet viele Aspekte des Naturschutzes. Als Beispiel: Jäger beschäftigen sich auch mit der Rehkitz-rettung. Ich nutze eine Drohne dafür, damit kann ich im Jahr an die 30 Kitze retten und die Bauern können mich anrufen und um Hilfe bitten. Das ist für mich gelebter Naturschutz.
Das Problem ist der Gedanke: Der Jäger hat ein Gewehr und erschießt ein Tier. Das sehen die Leute, aber sie sehen nicht, dass der Jäger füttert, Kitze rettet, die Bäume, Sträucher und Pflanzen kennt, Wildhecken und -äcker pflanzt. Es ist leichter, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Vor allem, wenn Tiere im Spiel sind, geht der Weg von der Sachlichkeit zur Emotionalität.
Glauben Sie, dass Tierschützer und Jäger je auf einen Nenner kommen können?
Wenn wir auf der Sachebene bleiben, dann glaube ich, dass auch ein Tierschützer und ein Jäger Hand in Hand gehen können, aber auf den extremen Seiten der Tierschützer und der Jägerschaft spielt zu viel Emotionalität und auch Ideologie mit rein. Es ist wichtig, beide Seiten aufzuklären und beide Seiten zu akzeptieren. Es bringt nichts, gegenseitig mit dem Finger auf sich zu zeigen und den anderen zu verurteilen.