Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Drei Männer für Merz

Als die Mauer fiel, waren sie Teenager. Jetzt sollen die Cdu-wahlkämpfe­r im Osten die AFD kleinhalte­n. Was ihr Erfolg mit der K-frage zu tun hat

- Julia Emmrich

Berlin. Am Tag nach dem Tv-duell gibt es Mettbrötch­en. Mario Voigt greift zu und beißt rein. Er ist zufrieden. Sein Bekannthei­tswert ist über Nacht in die Höhe geschossen – nicht nur, aber auch weil sich der Thüringer Cdu-wahlkämpfe­r mit Afd-frontmann Björn Höcke im Fernsehzwe­ikampf über die Frage zerlegt hat, ob man nun Gehacktes, Mett oder was auch immer sagt. Auch Jan Redmann mischt sich ein: Der Brandenbur­ger Cdu-spitzenkan­didat postet ein Bild mit einer Brötchenhä­lfte bei X: „Bei uns heißt das Hackepeter.“Es ist ein kurzer, halbwegs lustiger Moment in einer Lage, die alles andere als lustig ist. Nicht für die Demokratie, nicht für die CDU, nicht für Friedrich Merz.

Kann die CDU die AFD kleinhalte­n? Wie stabil ist die Brandmauer der Union gegen die Rechten? Und: Ist Parteichef Friedrich Merz der richtige Mann, um die Union in die Bundestags­wahl zu führen? Drei Fragen, auf die es bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g Antworten geben wird.

Damit es gut läuft für Merz, müssen drei Männer liefern: Sachsens Cdu-regierungs­chef Michael Kretschmer startet mit Amtsbonus, aber rund fünf Prozentpun­kten Rückstand auf die AFD. Der thüringisc­he Cdu-fraktionsc­hef Mario Voigt liegt auch nach dem Tv-duell gegen Björn Höcke noch immer rund zehn Prozentpun­kte hinter der AFD. Der brandenbur­gische Cdu-fraktionsc­hef Jan Redmann läuft bislang in puncto bundesweit­e Bekannthei­t noch komplett unter dem Radar – auch deshalb, weil die Rollen in Brandenbur­g anders verteilt sind. Auch hier liegt die AFD auf Platz eins, die SPD aber knapp vor der CDU auf Platz zwei. Spd-ministerpr­äsident Dietmar Woidke setzt bei der Wahl im September auf seinen Amtsbonus. Redmann kämpft gegen AFD und SPD.

Drei Männer für Merz – das ist die Ausgangsla­ge für den Herbst. Alles, was in den drei ostdeutsch­en Ländern passiert, kann ein Signal sein für die Bundestags­wahl im kommenden Jahr. Haben die Wahlkämpfe­r der CDU Erfolg, wäre es ein Beleg für Merz, dass sein Kurs stimmt. Scheitern sie, ist das auch ein Signal für die K-frage.

„Konservati­v-bürgerlich­e“Zeiten sorgen für Aufschwung

Jan, Mario, Michael: Alle drei Cdumänner waren Teenager, als die Mauer fiel. Redmann ist heute 44 Jahre alt, Voigt 47, Kretschmer 48. Friedrich Merz könnte ihr Vater sein. Auch was die politische Linie angeht: konservati­v, liberal, christlich-sozial? Alle drei würden sich ohne zu zögern in die erste Gruppe sortieren. Die drei Ostwahlkäm­pfer sind anders als die Parteiprom­inenz im Westen typische Gesichter der neuen CDU unter Friedrich Merz.

Sie trauern Angela Merkel keine Träne nach und suchen ihr Heil in einer Politik, die eher an rechte als an linke Milieus anschlussf­ähig ist. „Die Union ist wieder bei sich selbst, sie unterschei­det sich wieder sichtbar von den anderen Parteien“, sagt der Thüringer Mario Voigt. „Die Zeiten sind konservati­v-bürgerlich­er geworden.“Die Menschen empfänden eine tiefe Sehnsucht danach, „dass es wieder geordnet zugeht, dass der Staat funktionie­rt“, wie Voigt es nennt. Sie erwarteten Klarheit bei der Migration und wollten, „dass das Leistungsu­nd Fleißversp­rechen wieder gilt“.

Während die westdeutsc­hen Cdu-regierungs­chefs – Hendrik Wüst in Nordrhein-westfalen, Daniel Günther in Schleswig-holstein und Boris Rhein in Hessen – sich sichtbar in der politische­n Mitte positionie­ren, richten die drei Wahlkämpfe­r im Osten den Blick nach rechts: dorthin, wohin viele Wähler abgedrifte­t sind und woher sie möglichst viele zurückhole­n wollen. Motto: „Ihr müsst nicht AFD wählen, es gibt eine konservati­ve Antwort auf eure Probleme.“

Knapp zwei Wochen nach dem Tv-duell zieht Mario Voigt Bilanz: Er habe viel positives Feedback aus der Partei bekommen, aus dem Osten wie aus dem Westen. „Auch Friedrich Merz hat sich gemeldet“, erzählt er am Telefon. Merz sehe die Sache wie er: Das Duell sei genau der richtige Weg der Auseinande­rsetzung mit der AFD. „Das wirkt sich nicht sofort in Umfragen aus“, räumt Voigt ein. Wichtig sei es, „dass die Leute sehen, dass die CDU die Kraft hat, die AFD zu stoppen und am Ende vorne zu liegen. Das wird bei der Wahlentsch­eidung im September helfen.“Voigt spürt den besorgten Blick aus Berlin: „Die Wahlen in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen sind der Bundespart­ei sehr wichtig.“Der Austausch mit der Parteispit­ze sei eng, es gebe auch ein großes Grundvertr­auen, „dass Michael Kretschmer, Jan Redmann und ich diesen Wahlkampf mit Umsicht und Vernunft führen“.

Außerhalb, aber auch innerhalb der Union haben in Wahrheit aber viele Zweifel, ob die ostdeutsch­en Cdu-wahlkämpfe­r wirklich in jeder Lage mit Umsicht und Vernunft agieren. Bei Kretschmer in Sachsen ist es seine Haltung zu Russland, die ihm den Ruf eines Putin-verstehers einbrachte. Bei Voigt in Thüringen ist es auch die Frage, wie stabil die Brandmauer zur AFD ist.

Zwei Mal hat die Cdu-fraktion im Erfurter Landtag Gesetzesän­derungen zusammen mit der AFD durchgeset­zt. Würde sich Voigt auch mit den Stimmen der Höckeafd zum Ministerpr­äsidenten wählen lassen? Er schließe das aus, sagt Voigt am Telefon. Wörtlich zitieren lassen will er sich mit der strikten Formulieru­ng aber nicht. Über die Gründe lässt sich spekuliere­n. Sicher: Nach dem Eklat um die Wahl von Kurzzeit-ministerpr­äsident Thomas Kemmerich (FDP) vor vier Jahren weiß jeder, dass die AFD gut darin ist, andere in die Falle laufen zu lassen. Will Voigt also bloß vorsichtig sein? Er riskiert jedenfalls, dass der Eindruck entsteht, er lasse sich eine Hintertür offen. Der Satz, den er am Ende zur Veröffentl­ichung freigibt, ist für einen CDUMANN

eigentlich eine Selbstvers­tändlichke­it: „Bei der Ministerpr­äsidentenw­ahl auf Afd-stimmen zu setzen, ist für mich keine Option.“

Es wird ein heißer Herbst für die Christdemo­kraten

So oder so – es wird ein heißer Herbst für die CDU. Erst die drei Wahlen, dann die K-entscheidu­ng. Die ostdeutsch­en Cdu-wahlkämpfe­r, so heißt es, hätten sich ausdrückli­ch dafür ausgesproc­hen, die K-frage in der Union erst später final zu entscheide­n. Fragt man nach, hört man immer wieder dasselbe Argument: Bitte keine Personalde­batten im Wahlkampf, bitte keine unnötige Selbstbesc­häftigung, bitte keine Neuauflage des Führungsdr­amas mit Markus Söder in der Hauptrolle. So was kommt einfach nicht an beim Wähler.

Die drei Wahlkämpfe­r haben ihr Votum allerdings schon abgegeben – sie setzen alle drei auf Merz als Kanzlerkan­didaten. „Never change a winning team“, wechsle nicht die Mannschaft, wenn’s gerade gut läuft. Das ist aktuell die Maxime in Dresden, Erfurt und Potsdam. Es ist – vorläufig – auch das Motto der Gesamtpart­ei. Merz kann damit rechnen, beim Bundespart­eitag Anfang Mai mit überwältig­ender Mehrheit als Parteichef wiedergewä­hlt zu werden. Ob diese Stimmung aber bis zum Herbst anhält? Offen.

Es gibt Merz-fans aus echter Überzeugun­g und Merz-fans aus taktischer Loyalität. Deren Antwort auf die K-frage? „Das wird wirklich erst nach den Ostwahlen entschiede­n. Bis dahin kann noch viel passieren.“

Die Union ist wieder bei sich selbst, sie unterschei­det sich wieder sichtbar von den anderen Parteien. Mario Vogt, Cdufraktio­nschef in Thüringen

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Konkurrent­en.
Mario Voigt, Cdu-fraktionsc­hef in Thüringen, blickt zuversicht­lich in die Zukunft seiner Partei.
PA/DPA GEISLER-FOTOPRESS/BARTILLA Jan Redmann, Cdu-fraktionsc­hef in Brandenbur­g, hat in seinem Bundesland mit SPD und AFD zwei starke Konkurrent­en. Mario Voigt, Cdu-fraktionsc­hef in Thüringen, blickt zuversicht­lich in die Zukunft seiner Partei.
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PA/DPA Michael Kretschmer, Regierungs­chef in Sachsen, steht wegen seiner Haltung zu Putin in der Kritik.
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AFP CDU-CHEF Friedrich Merz will die K-frage erst nach den Wahlen in Ostdeutsch­land entscheide­n.

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