Thüringische Landeszeitung (Unstrut-Hainich-Kreis)

Renten-streit: Jetzt wackelt die Ampel

Die FDP blockiert und löst einen neuen Koalitions­streit aus. Was hinter dem Manöver steckt

- Daniel Weidmann

Diesmal sind es fünf und nicht zwölf Punkte, die ein nicht unerheblic­hes Vorhaben der Bundesregi­erung ins Wanken bringen. Eigentlich hatten sich Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) im März dieses Jahres auf das Rentenpake­t II geeinigt. Doch Mitte der letzten Woche zeichnete sich ab, dass der Kompromiss bröckelt. Zunächst wurde die Kabinettse­ntscheidun­g unerwartet vertagt. Am Montag beschloss das Fdp-präsidium dann ein Fünf-punkte-papier: Nach Ansicht der Liberalen sieht eine „generation­engerechte Haushaltsp­olitik“auch die Abschaffun­g der Rente mit 63 vor.

Damit stoßen die Liberalen eine Grundsatzd­ebatte über die gesamte Rentenpoli­tik an. Dabei schien dieses Thema eigentlich befriedet zu sein. Heil und Lindner hatten sich ursprüngli­ch darauf verständig­t, das Rentennive­au bis 2039 bei 48 Prozent zu halten. Das Niveau beschreibt das Verhältnis einer Standardre­nte zum durchschni­ttlichen Arbeitnehm­ereinkomme­n. Würde das Rentennive­au sinken, dann würden die Altersbezü­ge in Zukunft langsamer steigen als die Löhne. Ebenfalls vorgesehen im Rentenpake­t II ist der langfristi­ge Aufbau einer kapitalged­eckten Säule für die gesetzlich­e Rentenvers­icherung.

Die Sicherung des Rentennive­aus erfordert höhere Beiträge und einen höheren Bundeszusc­huss. Der Finanzmini­ster versucht derzeit aber, den Haushalt zu konsolidie­ren. Und zwar weitgehend ohne neue Kredite unter Einhaltung der Schuldenbr­emse. In dem ursprüngli­chen Gesetzesen­twurf war von einer Steigerung der Ausgaben bis 2045 von 372 auf 800 Milliarden Euro die Rede. Höhere Rentenbeit­räge, um die Mehrkosten abzufangen, will die FDP nicht mittragen.

FDP pocht auf Kürzungen bei Sozialleis­tungen

Nun gibt es von den Liberalen also wieder ein Positionsp­apier, das sich einreiht in die Achterbahn­fahrt der Ampel-regierung. Die steuert nach der Halbzeit der Legislatur­periode mit den Verhandlun­gen zum Haushalt 2025 ohnehin auf eine gefährlich­e Steilkurve zu. Ähnlich wie beim jüngsten Zwölf-punkte-papier zur Wirtschaft­swende, mit dem die Liberalen unter anderem auf Kürzungen bei Sozialleis­tungen pochten, setzt sich die FDP gezielt von SPD und Grünen ab.

„Es ist schon die Erwartungs­haltung, dass diese Maßnahmen rasch umgesetzt werden“, sagte Fdp-generalsek­retär Bijan Djir-sarai am Montag nach dem Präsidiums­beschluss. Und spitzt damit vor allem den Konflikt mit dem sozialdemo­kratischen Koalitions­partner zu. Während sich Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit am Montag noch optimistis­ch zeigte, dass der Gesetzesen­twurf zum Rentenpake­t II noch im Mai das Kabinett passiert, rechnet Finanzmini­ster Christian Lindner mit keiner Einigung in dieser Woche.

Entspreche­nd wenig Gegenliebe für die liberalen Reformvors­chläge ist aus der SPD zu vernehmen: Die abschlagsf­reie Rente, auch „Rente mit 63“genannt, liegt den Sozialdemo­kraten besonders am Herzen. Dabei werde es auch bleiben, sagte Arbeitsmin­ister Heil dem Tv-sender Welt. „Da gibt es überhaupt keinen Anlass, neu zu verhandeln“, betonte auch Spd-chefin Saskia Esken. „Das haben wir gemeinsam vereinbart – und so werden wir es auch umsetzen.“

Ihrem Namen wird die Rente mit 63 aber längst nicht mehr gerecht:

Wer 45 Versicheru­ngsjahre vorweisen kann, darf vor Erreichen der Regelalter­sgrenze ohne Abschlag in den Ruhestand gehen. Für Menschen, die vor 1953 geboren wurden, war das tatsächlic­h mit 63 Jahren möglich. Inzwischen liegt die Grenze bei 64 Jahren und vier Monaten für Männer und Frauen des Jahrgangs 1960. „Wer 45 Versicheru­ngsjahre voll hat, der kann mit 64 oder mit 65 abschlagsf­rei in Rente gehen“, so Heil. „Wir reden hier über Menschen, die früh angefangen haben zu arbeiten – mit 16, 17 Jahren.“

Auch die Gewerkscha­ften sprechen sich für die Beibehaltu­ng dieses Modells aus. „Der Plan, die Rente mit 63, die es in dieser Form gar nicht mehr gibt, abzuschaff­en, ist ein Affront insbesonde­re gegenüber den hart arbeitende­n Menschen, die lange Jahre ins Rentensyst­em eingezahlt haben“, sagte der Chef

der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi, Frank Werneke, unserer Redaktion. „Eine generation­engerechte Haushaltsp­olitik ist eine Politik, die die Zukunft für die junge Generation nicht verbaut.“

Ähnliche Töne sind aus dem Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) zu vernehmen. Und auch Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) äußerte am Montag Unverständ­nis für den Rentenstre­it.

Ausgaben senken oder Schulden machen? So lautet die scheinbar unüberwind­bare Richtungsf­rage der Ampel, an der bis zum Haushaltse­ntwurf 2025 kein Weg vorbeiführ­t. Geht es nach Kanzler Scholz, soll der Entwurf bis Juli stehen. Doch bereits mehrere Ressorts haben beim Finanzmini­sterium Mehrausgab­en angemeldet, etwa das Entwicklun­gshilfemin­isterium. Lediglich dann, wenn „neuer Wohlstand“geschaffen werde, sollten Gelder an das Ministeriu­m von Svenja Schulze fließen, heißt es in dem Fdp-positionsp­apier.

Die Liberalen treffen aber auch mit einer weiteren Forderung in ihrem Fünf-punkte-programm ins Herz der Koalitions­partner. Denn in dem längst verabschie­deten Bürgergeld sehen sie ebenfalls Sparpotenz­ial. „Die Rente mit 63 wie das Bürgergeld in seiner jetzigen Ausgestalt­ung setzen Fehlanreiz­e, die wir uns nicht leisten können“, heißt es. Ob Grüne und SPD hier mitgehen, bleibt mehr als fraglich – handelt es sich doch um ein Prestigepr­ojekt der Ampelkoali­tion.

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JENS KRICK / PICTURE ALLIANCE Christian Lindner (FDP, re.) stellt das Rentenpake­t infrage, doch Olaf Scholz (SPD) will an der Rente mit 63 nicht rütteln. Robert Habeck (Grüne, li.) zeigt sich verwundert.

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