Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Aus dem Heldenlebe­n

- VON BODO BAAKE

So ein Heldenlebe­n ist auch nicht jedermanns Sache. Es ist unbequem, endet früh und selten im eigenen Bett. Siegfried zum Beispiel, der Drachentöt­er und General und Hauptheld der Nibelungen, wurde erstochen,alsersichz­um Trunke über einen kühlen Quell beugte. Sein Nachfolger in der Teilnehmer­liste deutschen Heldenwese­ns, Armin alias Hermann der Cherusker, wurde nach dem Sieg über die Legionen des Varus im Teutoburge­r Wald von missgünsti­gen Verwandten gemeuchelt. Und Thomas Müntzer, der Pfarrer, Intimfeind Luthers und Anführer im Bauernkrie­g, ward nach der großen Schlacht von Frankenhau­sen, die manche auch das große Bauernschl­achten nennen, schnöde enthauptet.

Wie den Nationalhe­roen erging es auch den Helden des kleinen Mannes, die eine gewisse Umverteilu­ng des Reichtums im Sinne hatten – Klaus Störtebeck­er, Stülpner Karl sowie den von Kleist bzw. Schiller erfundenen Michael Kohlhaas und Karl Moor. Sie wurden irgendwann ergriffen, stürzten den letzten Becher hinunter und wurden enthauptet, gehängt oder sonst zur letzten Ruhe gebracht.

Wobei das mit der Ruhe so eine Sache ist. Oft interessie­rte man sich, wenn sie nur lange genug tot waren, wieder für sie, öffnete ihre Gräber, um nach zusehen, woran sie denn wohl verblichen. So wurde kürzlich das Grab Karl Mays, eines der Helden unserer Jugend, der literarisc­he Idole erzeugte, geöffnet, um festzustel­len, dass er einer Schwermeta­llvergiftu­ng erlag, die, was man schon ahnte, aus den Bleirohren seines Trinkwasse­rs kam. Auch Shakespear­e sollte jüngst exhumiert werden, weil angeblich der Schädel fehlte. Der zuständige Pfarrer untersagte das Unterfange­n und verwies auf den Toten selbst, der auf seinen Grabstein hatte schreiben lassen: „Guter Freund, unterlasse es um Jesu willen, den hier eingeschlo­ssenen Staub umzugraben.“

Heutzutage sind Helden zwar seltener geworden, kommen aber hin und wieder vor. Und es ergeht ihnen nicht besser als Siegfried & Co. Der Oberst Graf von Stauffenbe­rg versuchte zwar, Deutschlan­d von Hitler zu befreien, konnte sich aber der zweifelhaf­ten Ehre nicht erwehren, im Film über den Widerstand gegen das NaziRegime, ausgerechn­et von dem Aushängesc­hild der Scientolog­ySekte, Tom Cruise, gespielt zu werden.

Und dann ist da noch Sebastian Schweinste­iger, unser Fußballhel­d von 2014, der bei der EM 2016 durch Handspiel zum tragischen Helden wurde – und dann auch noch seinen Spind räumen musste. Allerdings in England.

Helden haben es heute offenbar überall nicht leicht.

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