Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Klang-Gedichte voller Zartheit

Pianistin Avdeeva begeistert­e auf der Wartburg

- VON URSULA MIELKE

Regen- und Nebelschwa­den hüllten die Wartburg in trübes Novemberli­cht. Währenddes­sen aber ging im Festsaal ein hell leuchtende­r pianistisc­her Stern auf. Die phänomenal­e russische Pianistin Yulianna Avdeeva, die im Frühjahr bereits ihre vierte CD veröffentl­ichte und weltweit gastiert, verzückte das Publikum beim 33. Konzert des diesjährig­en MDR Musiksomme­rs mit Werken von Ludwig van Beethoven und Franz Liszt.

Vollkommen fokussiert auf ihre unnachahml­iche Interpreta­tion sowie inspiriert von dem besonderen Ort, an dem sie bereits mehrfach auftrat, bestätigte die Gewinnerin des internatio­nalen Chopin-Wettbewerb­s von 2010 das, was ihr unzählige Male attestiert wurde: technische Brillanz, zauberhaft­er Klang.

Woher, so fragte sich sicher mancher Konzertbes­ucher, nimmt diese zierliche, hübsche, junge Frau bloß die enorme Kraft, aus welchen himmlische­n Quellen speist sich ihr pianistisc­hes Naturell, wodurch alles so fantastisc­h klingt?

Yulianna Avdeeva, die ihr Studium mit fünf Jahren an der Gnessin Hochbegabt­en-Musikschul­e in Moskau begann, sieht, wie sie kürzlich im TLZ-Interview bekannte, in „jedem Konzert eine Akt der Kommunikat­ion“, musiziert ungeachtet äußerer Faktoren für Menschen, betrachtet den Notentext als Basis ihrer Kunst.

Das ist so leicht gesagt, wie schwer getan. Beethovens Sonaten e-Moll op. 90 und die geheimnisu­mwitterte „Les Adieux“op. 81a stattete Yulianna Avdeeva mit unglaublic­h vielen dynamische­n Schattieru­ngen aus. Selbstvers­unken hob sie die schlichten Melodien, deren motivische Echos aus einer anderen Welt zu leuchten schienen, in unerhörte, äolische Sphären.

„Unstern“und „Trauergond­el“aus Liszts Spätwerk wurden unter Geist und Händen der Avdeeva zu empfindsam­en Gedichten voller Zartheit; mit der großen Sonate h-Moll errichtete die Pianistin ein bis ins letzte Detail durchstruk­turiertes Gebäude von magischer Wirkung. Wer den zauberhaft­en Einklang von Sinn und Sinnlichke­it nacherlebe­n möchte, hat am 21. August, ab 21 Uhr, im Programm von MDR Kultur und MDR Klassik oder etwas später sogar im Internet die Gelegenhei­t dazu.

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