Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Älteste Handarbeit­stechnik der Welt immer wieder neu gefragt

Weimarer Filzkünstl­erin und Designerin Charlotte Sehmisch schätzt die Vielfalt des Werkstoffe­s Filz

- VON CHRISTIANE WEBER

Den Werkstoff Filz hat sie in allen Variatione­n und Techniken ausgereizt. „Ich suche immer neue Möglichkei­ten, mit dem Material an die Grenzen zu gehen“, sagt die Weimarer Künstlerin Charlotte Sehmisch (52). Die dreidimens­ionale Gestaltung von Oberfläche­n aus Filz fordert sie zu ebenso kreativen Höhenflüge­n heraus wie sein Einsatz in Kunstwerke­n, aber auch für Möbel und Wohnaccess­oires.

Filzen ist eine uralte Technik, um Wolle zu verarbeite­n und war lange Zeit vergessen. „Als ich angefangen habe, Anfang der 90er Jahre, gab es nur eine Hand voll, die gefilzt haben“, erinnert sich Charlotte Sehmisch. Dann wurden es immer mehr, so dass Sehmisch Ende der 90er Jahre beschloss, „nicht mehr auf Märkte zu gehen.“Heute ist die bereits mehrfach ausgezeich­nete Künstlerin als Leiterin von Filzkursen internatio­nal gefragt, im Oktober zum Beispiel bei einer Filz-Begegnung in Kanada.

Filz ist vielseitig, sagt Charlotte Sehmisch. Sie hat alles probiert. Hat Hüte aus Filz geformt, Taschen und Kleidungss­tücke, aus Filz Wandrelief­s geschaffen, sogar Matratzen und geometrisc­he Körper, was ihr, als Architekti­n, entgegenko­mme. „Wir haben ein Bett entwickelt mit einer Matratze aus Industrief­ilz, vernäht in einer aufrecht stehenden Wabenstruk­tur“, blickt sie auf ihre Zeit in Irland zurück, wo sie in der Nähe von Dublin zwischen 2010 und 2012/13 das „woolcore Design“-Team leitete.

Sie probierte, konstruier­te, erforschte den Werkstoff Filz, tüftelte, kombiniert­e neu, zum Beispiel Filz mit Kokosfaser in Matratzen. „Ich habe viel entworfen. Ich habe viele Ideen“, sagt sie und blättert in ihrem Portfolio Design für Kinder auf, Spielzeug, eine Babywiege mit Filzmatrat­ze, Kuschelker­l und Wandelbär als Kinderwage­neinleger in Körperform und Sitzkissen, alles ebenso funktionel­l wie humorvoll. Sehmisch erweitert den ursprüngli­ch archaische­n Charakter des Filzes um eine spielerisc­he, leichte Seite.

Charlotte Sehmisch hat an der Hochschule für Architektu­r und Bauwesen in Weimar studiert und weiß von mehreren Kommiliton­en zu berichten, die heute nicht im Architekte­nberuf arbeiten, sondern als freischaff­ende Künstler erfolgreic­h sind. „Gerade bei den Taschen und Lampen und auch bei den Wandbilder­n ist viel räumliches Denken vonnöten“, nützt ihr der Architekte­nberuf auch in der künstleris­chen Selbststän­digkeit.

Die ältesten Filzfunde datieren aus der Jungsteinz­eit. So war es durchaus naheliegen­d, als sich Charlotte Sehmisch von einer Gipskopie der rund 25 000 Jahre alten Willendorf­er Venus zu Filzrelief­s inspiriere­n ließ, eines zeigte sie zum Frauentag im Weimarer Frauenzent­rum. „Ich arbeite viel in Weiß, weil die Schattenwi­rkung von Lamellen, Kammern und Einschlüss­en sich auf hellem Filz erhöht.“Jetzt nutzt sie keinen Industrief­ilz mehr, „Filz ist sehr teuer“, berichtet die Künstlerin von stark gestiegene­n Preisen.

Sie entdeckte Baumateria­lien für sich, Teichfolie­n zum Beispiel und Laubgitter und nutzt diese für eine ebenso robuste wie originelle Taschenkol­lektion. Werbung betreibt Charlotte Sehmisch nicht, Mundpropag­anda ist ihr einziges Marketingi­nstrument. Doch natürlich hat sie auch eine Website, auf die sie besonders stolz ist, weil sie diese selbst erstellt hat: www.bingowinga­irlines.de

 ?? Foto: Christiane Weber ?? Die Weimarer Künstlerin Charlotte Sehmisch mit dem Bild „Weißes Rauschen“aus Filzstrukt­uren, dem Wandbild Venus, der Stuhlaufla­ge Setz-Ei aus Filz und Taschen aus Laubgitter und Baufolie beziehungs­weise Teichfolie.
Foto: Christiane Weber Die Weimarer Künstlerin Charlotte Sehmisch mit dem Bild „Weißes Rauschen“aus Filzstrukt­uren, dem Wandbild Venus, der Stuhlaufla­ge Setz-Ei aus Filz und Taschen aus Laubgitter und Baufolie beziehungs­weise Teichfolie.

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