Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„Goethe hat mich sicher geleitet“
Der Präsident der GoetheGesellschaft, Dr. Jochen Golz, Archivdirektor im Ruhestand, feiert seinen 75. Geburtstag
Mehr als 20 Jahre lang stand Dr. Jochen Golz im Dienst der Weimarer Klassiker-Stätten. Von 1994 bis 2007 leitete er das Goethe- und Schiller-Archiv. Seit 1999 ist der habilitierte Germanist Präsident der GoetheGesellschaft Weimar. Am heutigen Samstag feiert Dr. Jochen Golz, 1942 in Stettin geboren, seinen 75. Geburtstag.
Was führte Sie zu Goethe?
Goethe hat mich bereits als Schüler begleitet. In Thale am Harz habe ich die Goethe-Oberschule besucht. Schon zur Schulzeit bekam ich meine erste 10-bändige Goethe-Ausgabe geschenkt. Zum Abitur 1960 habe ich zwei Bände von Korffs Standardwerk „Der Geist der Goethezeit“bekommen. Nach dem Studium der Germanistik und Indonesienkunde in Jena kam ich sofort nach Weimar, als Lektor zum Aufbau-Verlag. Anfang 1978 ging ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für klassische deutsche Literatur der NFG.
Wie waren die Arbeitsbedingungen für Sie bei den NFG?
In unserem kleinen Forschungsinstitut herrschte eine für DDRVerhältnisse relativ tolerante Arbeitsatmosphäre. Ich habe beispielsweise meine editorische Tätigkeit fortsetzen können.
Was hat Sie angesichts der großen Veränderungen an den NFG nach der Wende am meisten beeindruckt?
Es waren das Wohlwollen und die großzügige Förderung der politisch Verantwortlichen. Das einstige kleine Institut bekam unter meiner interimistischen Leitung neue Aufgaben und einen neuen Namen. 1992 wurde Bernd Kauffmann Präsident der Stiftung Weimarer Klassik (vormals NFG). Er war es, der mir im Sommer 1993 den Rat gab, mich auf die frei gewordene Position des Direktors des Goethe- und-Schiller-Archivs zu bewerben. Sie sehen, Goethe hat mich immer einigermaßen sicher geleitet. Von innen betrachtet, war die Entwicklung in der Stiftung von großer Kontinuität geprägt. Archivare, Museumsfachleute und Bibliothekare werden zu allen Zeiten als Helfer und Ratgeber benötigt.
Vor zehn Jahren sind Sie aus Ihrem Amt als ArchivDirektor in den Ruhestand verabschiedet worden. Zuvor aber hatten Sie eine Doppelbelastung zu tragen, als Direktor des Goethe und SchillerArchivs und Präsident der GoetheGesellschaft. Wie sind Sie damit umgegangen?
Natürlich kam seit 1999 mehr Arbeit auf mich zu. Doch in beiden Ämtern hatte und habe ich das Glück, sehr qualifizierte Mitarbeiter an meiner Seite zu wissen. In der Goethe-Gesellschaft kamen neue Aufgaben hinzu: die Vorbereitung der alle zwei Jahre stattfindenden Hauptversammlungen (in diesem Jahr vom 7. bis 10. Juni), die herausgeberische Betreuung von Goethe-Jahrbuch und Schriftenreihe, eigene Vortrags- und Publikationstätigkeit in Deutschland und weit darüber hinaus, wissenschaftliche Beratung unserer Stipendiaten aus aller Welt. Der Alltag einer großen literarischen Gesellschaft mit 2600 Mitgliedern ist sehr vielfältig. Mein ‚Vorteil‘ besteht heute darin, als Ruheständler meine Zeit besser einteilen zu können.
Was war Ihnen bei Ihrer Arbeit wichtig?
Das Wichtigste ist mir immer der gute Umgang mit meinen Mitarbeitern, natürlich auch mit den Mitgliedern unserer Gesellschaft gewesen. An ihren Reaktionen ist zu spüren, welche Wertschätzung unsere Arbeit erfährt.
Welchen Wunsch haben Sie als Präsident der GoetheGe sellschaft für die Zukunft?
Dass sie in ihrer Substanz lange erhalten bleibt. Alle literarischen Gesellschaften haben mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen. Wir haben in dieser Hinsicht eine relativ stabile Situation, bemühen uns aber gleichwohl um junge Mitglieder und fördern die Goethe-Forschung der Jungen, zum Beispiel mit einem Symposium junger Goethe-Forscher, das unsere Hauptversammlung eröffnet.
Ist heute überhaupt noch etwas Neues zu Goethe zu erwarten?
An philologischen Sensationen wohl kaum. Doch jede Zeit wird sich ihr eigenes Bild von Goethe machen. Das schafft Spielräume für die Interpreten. Auch sie lesen durch die Brille der Erfahrung. Ich bin davon überzeugt, dass der 5. Akt von „Faust II“Wissenschaft und Publikum noch lange beschäftigen wird.