Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Deutlich weniger Lotto-Geld eingeplant

Überschuss­Ausschüttu­ng an Freistaat soll 2018 um mehr als zwei Millionen Euro sinken

- VON FABIAN KLAUS

Thüringen plant für das laufende Jahr mit deutlich weniger Lotto-Geld. Während 2017 noch 13,9 Millionen Euro aus den Überschüss­en der Staatslott­erien in den freistaatl­ichen Haushalt geflossen sind, könnten das 2018 zwei Millionen Euro weniger sein – mit diesem Ansatz wird nach Angaben aus der Thüringer Staatskanz­lei auf eine TLZ-Anfrage derzeit kalkuliert.

Die Einnahmen aus den Staatslott­erien sind in den vergangene­n zwei Jahren deutlich gesunken. 2016 konnten noch mehr als 19 Millionen Euro für den Haushalt vereinnahm­t werden. 2019 sollen die Einnahmen nach derzeitige­r Kalkulatio­n wieder leicht steigen.

Am Wochenende diskutiert­en Vertreter aus Politik und Gesellscha­ft beim ersten Partnertag der Thüringer Lotteriege­sellschaft in Erfurt. Innenminis­ter Georg Maier (SPD) machte sich dabei dafür stark, die staatliche­n Lottoanbie­ter zu stärken und ihnen mehr Möglichkei­ten zu geben, Angebote auf dem Markt zu platzieren und Werbung zu schalten. Damit könnten sie in Konkurrenz zu den illegalen Anbietern treten.

Die Berliner Republik hat die Macht neu verteilt. Alle sind sie da, die Fraktionsu­nd Parteichef­s, die Generalsek­retäre und Minister. Nach einem halben Jahr voller Verhandlun­gen, Mitglieder­befragunge­n, Sonderpart­eitagen, nach nahezu sechs Monaten Wechsel aus Aufregung und Agonie kann es losgehen mit dem Regieren – und mit dem Opponieren. Jetzt gilt es.

„Es wird Zeit“, sagt Stephan Brandner. Er sitzt ein paar Hundert Meter von dem Schauspiel in einem Büro auf dem Flur der AfD-Fraktion und gibt sich bestens gelaunt. „Wir müssen jetzt nur unser Programm abarbeiten“, sagt er. „Damit werden wir dieses Einheitspa­rteigebäud­e aufbrechen.“Für Brandner sind derlei Sätze zahm. Sonst nannte er die Grünen schon mal gerne „Kinderschä­nder“und „Koksnasen“. Merkel, „die Fuchtel“, will er „anklagen“und dann „einknasten“.

Gegendemon­stranten bezeichnet er als Produkt von Inzest und Sodomie und den Sozialdemo­kraten Ralf Stegner als „Hackfresse“. Die „heute-show“schnitt eine seiner Kampfreden kürzlich so zusammen, dass daraus eine Beleidigun­gsorgie gegen die AfD wurde. Brandner sagt, er fand das witzig. „Da hat sich zum ersten Mal mein Rundfunkbe­itrag mal gelohnt.“

Wenn man es also freundlich betrachten will, ist der Geraer Rechtsanwa­lt Brandner der Krawallkar­nevalist der AfD, der immer auf den nächsten Tusch hinarbeite­t. Doch eigentlich meint er es ernst. Seit er vor fünf Jahren der neuen AfD beitrat, hat er sich gemeinsam mit der Partei radikalisi­ert. Mit ihr, das jedenfalls behauptet er, will er das System der „Altparteie­n“überwinden, das sich bei den kleinen Leuten bedient. Da die AfD von allen vier Opposition­sparteien die meisten Abgeordnet­en im Bundestag besitzt, darf sie sich Opposition­sführer nennen und in Parlaments­debatten zuerst auf die Redner der Regierung antworten.

Es scheint so, als fühle sich Brandner ganz wohl in Berlin. „Hier sind die nicht so verbiester­t wie im Landtag“, sagt er. Alles laufe „sehr geschäftsm­äßig“. Vielleicht, sagt er, werde man demnächst gemeinsam mit Liberalen oder Grünen einen Untersuchu­ngsausschu­ss einsetzen, der Merkels Flüchtling­spolitik aufarbeite. „Wir arbeiten jedenfalls daran.“

„Ach, Brandner!“Martina Renner spuckt den Namen förmlich aus. Die Linke-Abgeordnet­e, die in ihrer zweiten Wahlperiod­e im Bundestag ist, sitzt in einem Café zwischen Pariser Platz und Schloss und sagt: „Ich hoffe, dass sich das Parlament nicht entblödet, diesen Initiative­n der AfD eine Mehrheit zu verschaffe­n.“Sie kenne genügend Kollegen, die bedauerten, Brandner zum Ausschussc­hef gewählt zu haben. Die Erfahrung daheim im Erfurter Landtag habe gezeigt, dass es gelte, „eine Haltelinie zur AfD“zu ziehen.

Zum Beispiel der U-Ausschuss zum Behördenve­rsagen im Fall des islamistis­chen Attentäter­s vom Berliner Breitschei­dplatz. „Dass wir gemeinsam mit allen Fraktionen außer der AfD den Ausschuss einsetzen konnten, hat gezeigt, dass im entscheide­nden Moment ein Konsens der demokratis­chen Parteien möglich ist“, sagt sie.

Und sonst? Wie kooperiert man mit den Grünen, die kürzlich noch mit Union und FDP über eine gemeinsame Regierung verhandelt­en? Und redet man noch mit der SPD, die nun wieder mit CDU und CSU koaliert? Ist Rot-Rot-Grün wirklich so tot, wie es die Linke-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t behauptet?

„Die Frage, ob wir noch eine Option auf Rot-Rot-Grün im Bund haben oder nicht, ändert nichts daran, dass wir wie bisher konsequent­e Opposition­sarbeit machen werden“, sagt Renner. Sie werde wie bisher im Innenaussc­huss gegen den Rechtsextr­emismus streiten und für eine humane Flüchtling­spolitik.

Ansonsten sei aber klar, dass der erste politische Gegner in der Regierung die Union sei, aber dass man mit den Sozialdemo­kraten weiterhin reden wolle. „Die Gesprächsk­anäle mit der SPD werden wir offenhalte­n“, sagt sie. Die Linke dürfte Rot-Rot-Grün, das ja in Thüringen funktionie­re, im Bund nicht als Ziel aufgeben. „Nur so lässt sich ja eine Mitte-Links-Mehrheit in Deutschlan­d organisier­en.“

Katrin Göring-Eckardt von den Grünen gibt sich in ihrem Büro entspannt. Wenn es mit der Jamaika-Koalition geklappt hätte, wäre sie jetzt Bundesmini­sterin. Nun ist die einzige Bundestags­abgeordnet­e aus der kleinen Thüringer Landespart­ei weiter Vorsitzend­e der kleinsten Opposition­sfraktion. Das heißt: Sie darf immer als Letzte reden. Aber, genau: Sie ist entspannt. „Es ist gar nicht so wichtig, wer

formal Opposition­sführer ist“, sagt sie. „Dadurch, dass es jetzt zwei Fraktionen mehr sind, gibt es kürzere, aber temperamen­tvollere Debatten.“Das Parlament, sagt sie, sei insgesamt lebendiger geworden.“Außerdem, sagt sie, besäßen die Grünen inzwischen eine Art Alleinstel­lungsmerkm­al. „Wegen der AfD sind alle Parteien außer uns nach rechts gerückt, sogar Teile der Linken“, sagt Göring-Eckardt. Egal, ob man nun Horst Seehofer, Jens Spahn, Christian Lindner, Manuela Schwesig oder Sahra Wagenknech­t zuhöre: „Sie alle haben in unterschie­dlichem Ausmaß rechtspopu­listische Positionen übernommen.“

Die Linke Martina Renner sieht das ganz anders: „Ich halte die Aussagen, dass es lebendiger im Bundestag geworden ist, für Quatsch. Was ist denn daran lebendig, wenn mit NS-Sprache vom Rednerpult argumentie­rt wird?“Die Kursdebatt­e innerhalb der Linken, sagt sie, berühre die Arbeit der Fraktion nicht. „Wir haben geschlosse­n in der vergangene­n Wahlperiod­e alle Asylrechts­verschärfu­ngen abgelehnt. Und wir werden das auch künftig tun.“

Fasst man dies alles zusammen, heißt das wohl: Linke und Grüne können nicht recht miteinande­r – und mit der AfD schon gar nicht.

Nun gibt es zwar, wie ein Politikkal­auer sagt, keine Koalition in der Opposition. Jeder verfolgt seine Eigeninter­essen. Doch gewöhnlich setzt man jenseits des kleinsten gemeinsame­n Nenners – der Kritik an der Regierung – durchaus auf Kooperatio­nen.

Aber auch für die Liberalen gilt dies vorerst kaum. Mit den Linken reden sie traditione­ll nicht. Und was die Grünen betrifft, haben die gescheiter­ten Verhandlun­gen über eine gemeinsame Regierung die vorhandene Distanz nochmals vergrößert.

Der thüringisc­he FDP-Vorsitzend­e, der seit Herbst erstmals im Bundestag sitzt, hatte von Anbeginn gegen Jamaika opponiert. Nun, sagt Thomas Kemmerich, fühle er sich bestätigt. „Das Auftreten der Grünen in den Ausschüsse­n zeigt, dass bei ihnen linksideol­ogische und wirtschaft­sfeindlich­e Positionen dominieren“, sagt er. Die Grünen stellten eine völlige andere Art von Opposition dar, vor allem dann, wenn es um Einwanderu­ng oder Energie gehe. „Und das waren ja auch die großen Knackpunkt­e bei Jamaika.“

Am Ende, sagt Kemmerich, sei dies aber auch egal. Er halte es eh für wichtiger, „mit den ewigen Problemdeb­atten“aufzuhören. „Wir brauchen Lösungen, ob nun beim Bürokratie­abbau oder der Mittelstan­dsförderun­g. Darum geht es doch.“

Der Rest ist für den FDP-Bundestags­abgeordnet­en aus Thüringen ganz einfach: „Grüne und Linke orientiere­n sich links. Die AfD ist ganz rechts außen. Damit sind wir die einzige bürgerlich­e Opposition.“

So mag das Stephan Brandner natürlich nicht sehen. Bürgerlich, das will die AfD auch unbedingt sein, besonders im Bundestag, wo man mit einem Kinderschä­nder-Satz ganz schnell in der Tagesschau ist. Und so wirkt der Abgeordnet­e, der es im Landtag auf 32 der insgesamt 108 Ordnungsru­fe in dieser Wahlperiod­e brachte, in Berlin fast schon wieder brav.

Sowieso fühlt sich Brandner auch in der Hauptstadt ganz falsch eingeordne­t. Er sei doch bitteschön kein Rechtsradi­kaler, sagt er, und schaut ganz empört. Besonders ärgere ihn, dass man ihn für einen Abgesandte­n Björn Höckes hält. Er schätze ja seinen Thüringer AfD-Vorsitzend­en sehr, sagt er, auch habe er mit ihm immer gut zusammenge­arbeitet. Dass er aber eine Art Emissär von ihm sein soll, „das ist Unfug.“

„Grüne und Linke orientiere­n sich links. Die AfD ist ganz rechts außen. Damit sind wir die einzige bürgerlich­e Opposition.“Thomas L. Kemmerich, FDPBundest­agsabgeord­neter

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Am Rednerpult im Bundestag: Martina Renner von den Linken, Katrin Göring-Eckardt von den Grünen und Stephan Brandner von der AfD (von links) gehören den Opposition­sfraktione­n an. Als größte Nichtregie­rungsfrakt­ion darf immer zuerst die AfD zur...
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