Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Eine Nacht auf dem Bücherbrett
Willkommen im Lesehotel! Es heißt zwar mit bürgerlichem Namen Park Hotel Post Freiburg, führt aber ein feines „Kultur & Literatur“mit im Schilde.
Beides wird hier großgeschrieben. Eine Bibliothek im Empfangsbereich, gefüllte Bücherregale auf jeder Etage und eine Lektürebox neben dem Bett. Das Gästebuch liest sich wie ein WhoisWho der deutschsprachigen Literaturszene. Von Monika Maron bis Martin Walser, von Mario Adorf bis Uwe Timm und von Judith Hermann bis Marcel ReichRanicki – alle sind hier schon abgestiegen. Und manche konnten gar nicht anders, mussten für ihre Nachnutzer etwas hinterlassen: „Paul Maar war hier / mit Bella, Sams und Taschenbier!“,lese ich. Alice Schwarzer reiste allein, doch mit universeller Botschaft: „Frauen begnügen sich nicht mehr mit der Hälfte des Himmels, sie wollen die Hälfte der Welt.“
Ich frage die Dame an der Rezeption, was die Dichter und Streiter von Welt in ihr kleines Hotel in der Bahnhofstraße lockt, und bekomme eine profane Antwort: „Wir arbeiten mit dem Freiburger Literaturhaus zusammen. Die schicken die Autoren, die dort lesen, zu uns.“
Ich bin Gast des KonfuziusInstituts und lese in der Freiburger Universität aus meinem ChinaBuch. Auch Professorin Yin, die die chinesische Sprachschule leitet, hat mich hierher geschickt.
Die Zimmer haben Namen. Man kann wählen, ob man mit Christa Wolf oder lieber mit Francis Bacon ins Bett gehen möchte, und erwacht sehr entspannt mit nichts als Poesie im Kopf. Das wünsche ich mir eigentlich öfter.
Ein Blick ins Internet verrät mir, dass Literatur, Bücher und Bibliothekshotels im Trend sind. Lesend reisen, lautet das Motto, ohne ein Buch im Koffer. Man braucht nicht mal einen EReader zum Runterladen der dicken Romane. Ist alles schon in riesiger Auswahl vor Ort.
Im mecklenburgischen Bücherhotel Groß Breesen darf man Bücher auch tauschen. Andere Einrichtungen werben mit einem Langschläferfrühstück. Da kann es vorkommen, dass Klaus Bednarz zum Müsli seine Kolumnen vorträgt. Manche bieten Schreibseminare, KrimiWorkshops, HörbuchWerkstätten oder Anleitung zum Drehbuchschreiben. Und falls es einen mal nach Indien verschlägt, unbedingt im „Taj Falaknuma Palace“absteigen! Das Hotel im britischen Kolonialcharme wirbt mit 5900 Büchern, um die alle zu lesen, man sich 16 Jahre einquartieren müsste.
Doch es findet sich auch Naheliegenderes. In Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien, Griechenland und der Schweiz haben sich 40 Herbergen zur BibliotelGruppe zusammengeschlossen, alle mit hauseigener Bücherei. Eigentlich gibt es schon alles, was das Bücherherz begehrt. Fast alles. Eine HedwigCourthsMahlerSuite gibt’s noch nicht.