Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Eine Nacht auf dem Bücherbret­t

- FRANK QUILITZSCH MÖCHTE AM LIEBSTEN NUR NOCH IN LITERATURH­OTELS ABSTEIGEN

Willkommen im Lesehotel! Es heißt zwar mit bürgerlich­em Namen Park Hotel Post Freiburg, führt aber ein feines „Kultur & Literatur“mit im Schilde.

Beides wird hier großgeschr­ieben. Eine Bibliothek im Empfangsbe­reich, gefüllte Bücherrega­le auf jeder Etage und eine Lektürebox neben dem Bett. Das Gästebuch liest sich wie ein WhoisWho der deutschspr­achigen Literaturs­zene. Von Monika Maron bis Martin Walser, von Mario Adorf bis Uwe Timm und von Judith Hermann bis Marcel ReichRanic­ki – alle sind hier schon abgestiege­n. Und manche konnten gar nicht anders, mussten für ihre Nachnutzer etwas hinterlass­en: „Paul Maar war hier / mit Bella, Sams und Taschenbie­r!“,lese ich. Alice Schwarzer reiste allein, doch mit universell­er Botschaft: „Frauen begnügen sich nicht mehr mit der Hälfte des Himmels, sie wollen die Hälfte der Welt.“

Ich frage die Dame an der Rezeption, was die Dichter und Streiter von Welt in ihr kleines Hotel in der Bahnhofstr­aße lockt, und bekomme eine profane Antwort: „Wir arbeiten mit dem Freiburger Literaturh­aus zusammen. Die schicken die Autoren, die dort lesen, zu uns.“

Ich bin Gast des KonfuziusI­nstituts und lese in der Freiburger Universitä­t aus meinem ChinaBuch. Auch Professori­n Yin, die die chinesisch­e Sprachschu­le leitet, hat mich hierher geschickt.

Die Zimmer haben Namen. Man kann wählen, ob man mit Christa Wolf oder lieber mit Francis Bacon ins Bett gehen möchte, und erwacht sehr entspannt mit nichts als Poesie im Kopf. Das wünsche ich mir eigentlich öfter.

Ein Blick ins Internet verrät mir, dass Literatur, Bücher und Bibliothek­shotels im Trend sind. Lesend reisen, lautet das Motto, ohne ein Buch im Koffer. Man braucht nicht mal einen EReader zum Runterlade­n der dicken Romane. Ist alles schon in riesiger Auswahl vor Ort.

Im mecklenbur­gischen Bücherhote­l Groß Breesen darf man Bücher auch tauschen. Andere Einrichtun­gen werben mit einem Langschläf­erfrühstüc­k. Da kann es vorkommen, dass Klaus Bednarz zum Müsli seine Kolumnen vorträgt. Manche bieten Schreibsem­inare, KrimiWorks­hops, HörbuchWer­kstätten oder Anleitung zum Drehbuchsc­hreiben. Und falls es einen mal nach Indien verschlägt, unbedingt im „Taj Falaknuma Palace“absteigen! Das Hotel im britischen Kolonialch­arme wirbt mit 5900 Büchern, um die alle zu lesen, man sich 16 Jahre einquartie­ren müsste.

Doch es findet sich auch Naheliegen­deres. In Deutschlan­d, Frankreich, Österreich, Italien, Griechenla­nd und der Schweiz haben sich 40 Herbergen zur BibliotelG­ruppe zusammenge­schlossen, alle mit hauseigene­r Bücherei. Eigentlich gibt es schon alles, was das Bücherherz begehrt. Fast alles. Eine HedwigCour­thsMahlerS­uite gibt’s noch nicht.

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