Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Der Ruhestand muss warten
Heute feiert der Thüringer Hans Rinn, der erfolgreichste Rennrodler der 1970er Jahre, seinen 65. Geburtstag
So richtig will es Hans Rinn noch nicht glauben, dass er heute das Rentenalter erreicht. „Ich werde jetzt nicht sofort die Reißleine ziehen. Ich will mir aber mehr Zeit für meine Hobbys nehmen. Das habe ich mir fest vorgenommen“, sagte er wenige Tage vor seinem 65. Geburtstag. Denn der Ehrenbürger seiner Heimatstadt Ilmenau und seiner Geburtsstadt Lan-gewiesen steht noch zu fest mit beiden Beinen in seiner Firma „Rinn creative plastics“in Wümbach, die er vor 28 Jahren als Einzelunternehmer gründete.
Fest steht, dass Sohn Toni die Firma übernehmen wird. Der Übergang soll fließend erfolgen. „Noch bin ich der Chef. Ich will mich aber mehr ums Büro kümmern und aushelfen, wo ich gebraucht werde“, sagt Hans Rinn. Noch immer juckt es ihm in den Fingern, wenn Probleme auftauchen. „Ich fahre nach wie vor jeden Tag mit Lust und Liebe zur Arbeit“, lacht er. Meist nimmt er für die sieben Kilometer das Fahrrad, selten ein Moped.
Seine kleine vierköpfige Firma ist breit aufgestellt. Sie setzt Kundenideen um, von Prototypen aus Faserverbundwerkstoffen über Verbrauchsmuster und Designstudien bis zur Herstellung von Einzelstücken. Tätig ist sie auch bei der Ausstattung von Rettungsfahrzeugen, stellt Wasserrutschen und Sportgeräte her und setzt künstlerische Ideen um. Sie hat auch im US-Bundesstaat Michigan eine KunststoffRodelbahn für Sport und Freizeit gebaut. Anfragen aus Polen, Rumänien, Tschechien und Slowenien dafür liegen vor. Auf den Bahnen in Calgary und Whistler sind je vier selbstlenkende Bobs aus Rinns Werkstatt für die touristische Nutzung im Einsatz. Im Herbst stellten die Rinns einen nur 28 Kilo schweren Zweierbob vor. Ein Werbevideo zeigt den Funsport-Bob beim Einsatz auf Straßen, Beton- und Kunststoffbahnen sowie Waldwegen. „Mal sehen, ob‘s Interessenten dafür gibt. Marketing ist noch eine Schwachstelle bei uns“, schmunzelt Hans Rinn.
Fahrzeuge sind auch sein Hobby. In seinem „Stall“stehen fast zehn zwei- und vierrädrige Oldtimer. Der Star ist ein Vorkriegs-BMW. „Den habe ich 2000 als Fragment gekauft. Zwölf Jahre habe ich immer mal daran gebaut. Seit 2013 bin ich mit dem Auto viele Kilometer gefahren, auch mit meiner Frau in den Urlaub“, berichtet Rinn. Das soll in Zukunft öfters passieren, ohne ständige Gedanken an die Firma und ohne 12-StundenArbeitstag. Den Sprung in die Selbstständigkeit nach der Wiedervereinigung hat der DiplomIngenieur für wissenschaftliche Geräte nicht bereut, auch wenn es manchmal schwierig war.
Von Rinns Handwerkskünsten profitierten bis 1989 auch seine sportlichen Nachfolger in Oberhof. 1988 fuhren die Olympiasieger Jens Müller und Jörg Hoffmann/Jochen Pietzsch von Rinn veredelte Schlitten. Abgerissen sind die Kontakte zum Leistungssport nie. Noch heute kommen Spitzenrodler zu ihm, wenn Änderungen am Schlitten vorgenommen werden sollen.
Er selbst holte zwischen dem ersten WM-Sieg 1973 bis zum Karriereende 1980 mit dem zweiten Olympia-Gold im Doppel mit Hintermann Norbert Hahn 12 Titel bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften. Er war der letzte Rodler, der sowohl im Einer als auch Doppelsitzer große Erfolge feierte.
An Rinns 65. Geburtstag ist kein rauschendes Fest geplant. Vorsichtshalber hat er aber den für morgen vorgesehenen Aufbau einer neuen Rutsche beim Kunden auf Mittwoch verlegt.
Erfolgreicher Unternehmer