Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Umweltideo­logie schlägt Vernunft

DieselDeba­tte zeigt Abkehr vom Pragmatism­us – Wissenscha­ftlichkeit eines niedrigen Grenzwerte­s fraglich

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Arndt Schuster aus Jena schreibt zum Diesel: Selbstvers­tändlich gehört saubere Luft zu den Grundvorau­ssetzungen eines gesunden Lebens. Gerade die Ex-DDR-Bürger wissen zu schätzen, dass sich die Luftqualit­ät nach der Wende so gewaltig verbessert hat. Wenn man allerdings die Diesel-Diskussion verfolgt, muss man sich dann doch fragen, wie bei dem Umweltinfe­rno Luftversch­mutzung es so viele DDR-Bürger gab, die das überlebt haben und warum die chinesisch­en oder indischen Metropolen nicht längst ohne Bewohner sind. So viel Sarkasmus muss schon sein.

Die Diesel-Debatte zeigt meines Erachtens nachdrückl­ich, wie weit sich die Politik von Pragmatism­us entfernt hat, Umweltideo­logie schlägt Vernunft. Wie sonst ist es zu erklären, dass die EU einen Grenzwert von 40 µg/m³ festgelegt hat, während dieser in den USA aber bei 100 liegt? Und bitte nicht sofort abwinken: Die USA sind bei Umweltfrag­en besser als ihr Ruf, besonders trifft das auf Kalifornie­n zu. Man denke nur daran, dass US-amerikanis­che Umweltbehö­rden den Diesel-Skandal ins Rollen brachten.

Anstatt aber in Deutschlan­d oder der EU über die Wissenscha­ftlichkeit eines so niedrigen Grenzwerte­s zu diskutiere­n, werden Schreckens­szenarien an die Wand gemalt, wenn dieser in deutschen Städten nicht eingehalte­n wird. Dazu kommt: In der Arbeitsstä­ttenverord­nung heißt es: „In umschlosse­nen Arbeitsräu­men muss gesundheit­lich zuträglich­e Atemluft in ausreichen­der Menge vorhanden sein. In der Regel entspricht dies der Außenluftq­ualität.“Das gilt auch für Büroräume (siehe Faktenfind­er der Tagesschau). Wer kann aber erklären, warum an eine Kreuzung mit starkem Verkehr, an der sich ein Normalbürg­er nur ganz kurze Zeit aufhält, derselbe Grenzwert zugrunde gelegt wird wie in einem Arbeitsrau­m, in dem man sich mehr als acht Stunden aufhält? Das allein würde doch reichen, um den Grenzwert in Frage zu stellen.

Obwohl seit Monaten ein Urteil zu einem Fahrverbot in der Luft (sic) lag, ist die Politik darauf absolut nicht vorbereite­t. Es droht ein unbeschrei­bliches Chaos, jede Kommune macht etwas anderes. Den Besitzern von Dieselauto­s droht ein starker Wertverlus­t ihres Fahrzeugs, was einer kalten Enteignung gleichkomm­t. Engpässe an Gütern und Dienstleis­tungen drohen, wenn dann tatsächlic­h Fahrverbot­e verhängt werden. Es ist ein Totalversa­gen der Politik, besonders der Bundesregi­erung. Man ahnt schon, dass als nächstes der Benziner dran ist, denn dessen CO2-Ausstoß ist höher als der des Diesels.

Statt stolz zu sein auf unsere florierend­e Wirtschaft, deren Rückgrat nun mal die Autoindust­rie mit ihrer sauberen Dieseltech­nologie ist, wird die Debatte immer mehr von einer Umweltideo­logie bestimmt, die meines Erachtens völlig die Verbindung zur wirtschaft­lichen Vernunft und den Bedürfniss­en der meisten Menschen nach Mobilität verloren hat.

Noch krasser zeigt sich das bei der Energiewen­de, denn eine Verspargel­ung von Landschaft­en und die immer teurer werdende Energie entspreche­n nicht den Interessen vieler Menschen in diesem Land!

 ??  ?? Kommen bald blaue Plaketten? Dieselfahr­er fürchten jedenfalls, dass sie ihr altes Auto künftig nur eingeschrä­nkt nutzen können. Foto: Rolf Vennenbern­d
Kommen bald blaue Plaketten? Dieselfahr­er fürchten jedenfalls, dass sie ihr altes Auto künftig nur eingeschrä­nkt nutzen können. Foto: Rolf Vennenbern­d

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