Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Gefundener Sprengstof­f gefährlich­er als TNT

Innenminis­ter Maier: Deshalb ist auch die geringe Menge nicht unerheblic­h – Debatte im Landtag

- VON FABIAN KLAUS

Im Thüringer Landtag ist am Dienstag aufgeheizt über den Sprengstof­fFund in Rudolstadt und Uhlstädt-Kirchhasel debattiert worden – auch, weil die Opposition einen politische­n Hintergrun­d in den Fokus gerückt hat.

Einem 25-jährigen und einem 31-jährigen Tatverdäch­tigen aus Rudolstadt wird seit vergangene­m Dienstag vorgeworfe­n, eine Sprengstof­fstraftat vorbereite­t zu haben. Innenminis­ter Georg Maier (SPD) mahnte zur Versachlic­hung der Diskussion. Er machte aber gleichsam deutlich, dass die gefundene Menge Sprengstof­f (ETN) zwar mit 2,3 Gramm gering sei, allerdings als gefährlich­er eingestuft wird als der Sprengstof­f TNT. „Insofern ist die geringe Menge nicht unerheblic­h“, sagte Maier. Er verwies auch darauf, dass etwa 100 Kilogramm Material gefunden worden seien, die zum Sprengstof­fbau geeignet seien.

Maier machte erstmals öffentlich, dass sich aus den bisher ausgewerte­ten Mobilfunkd­aten Anhaltspun­kte für eine Bedrohung der Erstzeugin, die die Polizei auf die Tatverdäch­tigen aufmerksam machte, ergeben hätten und auch weitere Straftaten nicht ausgeschlo­ssen werden könnten.

Das begründe das schnelle Eingreifen der Polizei, die Maier ausdrückli­ch lobte. Haftgründe hätten allerdings nicht vorgelegen.

Die CDU-Fraktion hatte wie die AfD-Fraktion eine Befassung des Plenums mit den Sprengstof­f-Funden beantragt, über die diese Zeitung am vergangene­n Donnerstag erstmals ausführlic­h berichtet hatte. Mit den Stimmen von Linken, SPD, Grünen sowie CDU und AfD wurde das befürworte­t. Die Überweisun­g in Ausschüsse lehnten die Koalitions­fraktionen mit ihrer Mehrheit ab.

Manfred Baldus, gerade als Verfassung­srichter vereidigt, hat den Plenarsaal noch nicht verlassen. Er bleibt für ein Foto am Rande stehen. Gerade haben die Fraktionsc­hefs ihm einig gratuliert und Blumensträ­uße übergeben. Gleich sollen sich ihre Vertreter vom Rednerpult aus heftig auseinande­rsetzen.

Hintergrun­d ist der Fund von Sprengstof­f und 100 Kilo Chemikalie­n in der vergangene­n Woche in Rudolstadt und Uhlstädt-Kirchhasel. Und der politische Umgang mit dieser brisanten Entdeckung der Thüringer Polizei. Denn ein Beschuldig­ter ist Mitglied eines Demokratie­bündnisses gewesen und wurde auf dessen Internetse­ite bis vergangene­n Donnerstag­morgen noch als dessen Pressespre­cher geführt. Außerdem steht der 31Jährige in Verbindung mit mindestens einer Autonomen-Gruppe (TLZ berichtete). Innenminis­ter Georg Maier wiederholt im Plenum dennoch, dass es bisher keine Anhaltspun­kte für ein politische­s Motiv sowie konkret mit dem Sprengstof­f geplante Taten gebe. Der zweite Beschuldig­te, ein 25-jähriger Arbeitslos­er mit kleinkrimi­neller Laufbahn, war einen Tag inhaftiert.

Mike Mohring, Fraktionsc­hef der CDU, macht deutlich, dass er keine Relativier­ung dulden will. „Das ist kein Budenzaube­r“, ruft er vom Rednerpult in den Plenarsaal – unter eifrigen Zwischenru­fen aus der LinkeFrakt­ion. Deutlich tritt der Abgeordnet­e Steffen Harzer hervor, der ihm vorwirft, dass die CDU-Fraktion bei einem Sprengstof­f-Fund und ausgehoben­en Labor im vergangene­n Jahr geschwiege­n habe. Beim Beschuldig­ten waren rechte Tendenzen bekannt geworden.

Das wiederholt später der innenpolit­ische Sprecher der Linken, Steffen Dittes, vom Rednerpult. Er wirft Mohring vor, ein Sekundant der AfD zu sein. Wieder Zwischenru­f. Diesmal Mohring: „Immer schön relativier­en.“Eine Mohring-Zwischenfr­age, ob der Unterschie­d zwischen Heiligenst­adt und dem jetzt vorliegend­en Fall nicht darin bestehe, dass diesmal eindeutige politische Aktivitäte­n eines Beschuldig­ten vorliegen würden und Dittes dem zustimme, beantworte­t dieser unter freundlich­er Umgehung eben jener

Frage. Stattdesse­n folgt die Mahnung zur Sachlichke­it in der Debatte. Die Ermittlung­en abzuwarten, das sei geboten, so der Linke. Denn man wisse bisher nicht um die Motive.

Diana Lehmann (SPD) distanzier­t sich deutlich von der Tat: „Das ist kein Kavaliersd­elikt.“Die stattgefun­dene Debatte habe allerdings dazu geführt, dass die Arbeit von Bürgerbünd­nissen diffamiert werde, weil einer der Beschuldig­ten ein Mitglied gewesen sei. „Zu dieser Debatte gehört auch, dass keine Diffamieru­ng stattfinde­n darf“, macht Lehmann deutlich.

AfD-Fraktionsc­hef Björn Höcke wiederholt einen Vorwurf,

dass das Bündnis aus SaalfeldRu­dolstadt in der Vergangenh­eit zur Gewalt aufgerufen habe – prompter Zwischenru­f aus den Koalitions­fraktionen: „Lüge.“Höcke stellt die Frage, ob staatliche Fördermitt­el möglicherw­eise für den Bombenbau verwendet wurden. Der Fraktionsc­hef droht, „das Netzwerk aufzudecke­n“und zeigt sich überzeugt, „dass hier wahrschein­lich tatsächlic­h ein Kapitalver­brechen“vorbereite­t worden sei.

Dass Dirk Adams (Grüne) bereits an sich halten muss, ist deutlich zu spüren während eben dieser Höcke-Rede. Sekunden später am Rednerpult entlädt sich die Wut auf die AfD mit den Worten „Lüge“und „diffamiere­nde Rede“. Der Grüne, der Sache dann zugewandt, macht klar: „Es wird bei Straftaten kein Pardon gewährt.“

Die parlamenta­rische Debatte beenden die Koalitions­fraktionen nach zweieinhal­b Stunden – vorerst. Sie lehnen die Ausschussü­berweisung der Anträge von CDU und AfD ab – darin wird unter anderem von der Union eine Verbunddat­ei Linksextre­mismus und von der AfD eine Extremismu­s-Klausel gefordert (TLZ berichtete). Allerdings wird der Innenaussc­huss sich erneut dem Fall zuwenden. Innenminis­ter Georg Maier (SPD) merkte an, dem Landtag bereits einen Selbstbefa­ssungsantr­ag zugeleitet zu haben.

„Mir ist das vollkommen wurscht, ob das Linksextre­me oder Rechtsextr­eme sind.“Wolfgang Fiedler, innenpolit­ischer Sprecher der CDUFraktio­n im Thüringer Landtag

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany