Thüringische Landeszeitung (Weimar)
OB-Kandidaten sind für mehr Mitsprache bei großen Vorhaben
Gut besuchtes Forum unserer Zeitung vor der Wahl. Themen von Umgehung über Wohnen bis Baumschutzsatzung
Bürgergespräch: Jan Kreyßig heute, 15.30 Uhr, im Mehrgenerationenhaus Weimar-West.
Podium „Sport im Dialog“: Peter Kleine und Gäste heute, 18.30 Uhr, im Feiningersaal Ilmschlösschen, Fröbelstraße 24.
Podium zu Migration und Integration: Gespräch Caritas und Ausländerbeirat mit allen Kandidaten im Café International; Mittwoch, 4. April, 18.30 Uhr.
Wahlforum Wohnen in Weimar: Mieterverein und der Verein Haus & Grund befragt die OB-Kandidaten am 5. April, 19 Uhr, im Mon Ami.
Wahlforum Oberweimar/Ehringsdorf: Der Ortsteilrat hat die Kandidaten für den 11. April, 19 Uhr, ins Vereinshaus „Zur Linde“eingeladen.
Mehr Bürgerbeteiligung zu Verkehrsfragen – das war eine der wichtigen Aussagen der OB-Kandidaten beim großen Wahlforum unserer Zeitung im Mon Ami. Rund 150 Interessierte sorgten dabei für ein prall gefülltes Erdgeschoss, um die Bewerber besser kennenzulernen: Oberbürgermeister Stefan Wolf (SPD), Bürgermeister Peter Kleine (ptl., nominiert von CDU und Weimarwerk), Jan Kreyßig (Bündnis-Grüne) und Hagen Hultzsch (FDP).
Rund 20 Jahre nach der letzten Befragung sollen die Weimarer noch in diesem Jahr Auskunft dazu geben können, welche Verkehrsmittel sie für welche Wege bevorzugen. Das Ergebnis fließt in den neuen Verkehrsentwicklungsplan ein.
Die Stadt solle bei großen Vorhaben grundsätzlich die Bürger einbeziehen, forderte Jan Kreyßig und erinnerte an das erste, nicht von der Stadt organisierte Forum zum Sophienstiftsplatz. Ebenso sprach sich Hagen Hultzsch bei Projekten wie dem Bauhaus-Museum oder der Umfahrung für Bürgerbeteiligungen aus, dies im Zweifelsfall auch mehrfach zu einem Thema. Peter Kleine pflichtete Kreyßig beim Sophienstiftsplatz bei, sagte aber, dass darum geworben werden müsse, dass sich auch wirklich viele Bürger beteiligen. Die Meinung von drei Weimarern sei eben nicht die der Bürger. Stefan Wolf gab zu bedenken, dass der Zeitraum von der ersten Phase der Beteiligung bis zur Umsetzung von Projekten oft so lange dauere, „dass schon wieder andere Bürger mitredenwollen, als die, die ursprünglich beteiligt waren“.
Zur Umgehung sieht Hagen Hultzsch eine Befragung der unmittelbar betroffenen Bürger als sinnvoll an, etwa in Tiefurt an der Jenaer- und Ebertstraße vor. Dem widersprach Kleine vehement: „ Sie betrifft ganz Weimar mittel- oder unmittelbar.“Dementsprechend müssten alle gefragt werden. Wolf gab zu bedenken, dass der Bund und nicht die Stadt baue. Die Bürger könnten also nur darüber entscheiden, wie die Verwaltung agieren solle. Er blieb unter anderem angesichts rückläufiger Verkehrsströme dabei, dass er den Bau nicht mehr für nötig halte. Gute Chancen sieht er für einen Bahnhalt am Waldschlösschen, der finanziell nicht zu Lasten der Stadt gehe. Für Kreyßig ist eine Umgehung weder notwendig noch zeitgemäß. Hultzsch wiederum warf den Gegnern der Tiefurt-Trasse „schlechtes Spiel mit gezinkten Karten“vor. Die Brücke falle niedriger aus als oft gesagt und auch die UnescoWelterbe-Wächter hätten nichts dagegen, behauptete er.
Beim Thema Wohnen in Weimar waren die Kandidaten einig, dass ein Oberbürgermeister die Mieten nicht senken kann. Kreyßig fordert einen qualifizierten Mietspiegel mit verbindlichen Vergleichsmieten, Kleine lehnt ihn als kontraproduktiv ab. Er koste 30000 bis 50000 Euro, müsse alle zwei Jahre aktualisiert und alle vier Jahre neu aufgestellt werden. Vor Gericht habe er dennoch selten Bestand und berge mit hohen Vergleichsmieten die Gefahr, dass diese eher noch steigen können. Dem schloss sich Wolf an und kritisierte die Förderung des sozialen Wohnungsbaus der Landesregierung. In Thüringen beschränke man sich auf Zinshilfen, andere Bundesländer würden auch Geld bereitstellen.
Auf Bürgernähe kam das Gespräch durch einen Einwurf von René Holzberger vom Gaberndorfer Ortschaftsrat. Dort blieb ein Bürger auf den Kosten für einen Schaden am Kanal sitzen, den Wurzeln eines Baums im öffentlichen Raum verursacht hatten. Wolf verwies darauf, dass stets im Einzelfall entschieden werde. Das aber zieht sich bereits zwei Jahre hin. Kreyßig forderte deshalb bessere Kommunikation mit den Bürgern und schnellere Entscheidungen. Hultzsch betonte, ein Sonderopfer für den öffentlichen Raum sei nicht statthaft. Entscheidungen dauerten auch deshalb so lange, weil die Mitarbeiter sich nach Satzung mit zu viel Klein-Klein befassen müssten. Kleine sagte: Wenn ein Zusammenhang zwischen Baum und Schaden bestehe, müsse das die Stadt lösen.
Viele im Saal wollten die Positionen zum Haus der Frau von Stein hören: Kreyßig beschrieb, dass er sich wie viele Bürger über den schleppenden Fortgang bei der Sanierung ärgere. Das dürfe sich Weimar nicht bieten lassen. Er betonte, dass der Investor nun bis Dezember laut Vertrag auch mit dem Innenausbau fertig sein müsse. Für den Fall der Fälle habe der Stadtrat im Haushalt Mittel für den Rückkauf des Hauses eingestellt. Wolf verwies darauf, dass der Spanier seine Investitionsverpflichtungen von der Summe her erfüllt und auch bereits eine sechsstellige Vertragsstrafe gezahlt habe. Nach dem Jahresende werde eine weitere fällig, wenn die Sanierung nicht fertig wird. Er habe bereits eine Rückforderung gewollt, aber dafür keine Unterstützung des Stadtrates bekommen. Kleine würde dem Investor jetzt die einjährige Frist bis zur Eröffnung lassen. Verstreicht diese, dann solle aber die Rückübertragung eingeleitet und auch Schadenersatz eingefordert werden. Weimar müsse künftig die Lehren aus den Fehlern in den Verträgen ziehen. Aussagen, denen sich Hultzsch mit den Worten anschloss: „Das hört sich gut an.“
So manches thematisierten die Gäste im Mon Ami noch: den Ärger über die Investruine an der Schillerstraße, über Graffiti an Häuserwänden oder über den Aufwand bei Aufmärschen von Rechtsextremisten und den Gegendemos. Für andere Themen war dagegen nach mehr als zwei Stunden angeregter Diskussion keine Zeit mehr. – Zumindest an diesem Abend.