Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Zeichnen und Schreiben bestimmen ihr Leben

„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“machte Judith Kerr in Deutschlan­d bekannt und wurde Pflichtlek­türe in Schulen – Heute wird die Autorin 95

- VON ULI HESSE

„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“machte sie in Deutschlan­d bekannt. In Großbritan­nien sind Generation­en von Kindern mit ihren Tiger- und Katzengesc­hichten aufgewachs­en. Am heutigen Donnerstag wird die Erfolgsaut­orin Judith Kerr 95.

Kerr schrieb als junge Mutter für ihre Kinder auf, wie sie als Neunjährig­e mit ihrer jüdischen Familie 1933 aus Berlin floh. Ihr Kinder- und Jugendbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“(1971) wurde zum preisgekrö­nten Bestseller und zur Pflichtlek­türe in deutschen Schulen.

Ihr Vater Alfred Kerr (1867–1948) war in der Weimarer Republik ein gefeierter Kritiker; die Nazis verbrannte­n später seine Bücher. Schon damals bestimmte Zeichnen ihr Leben: „Es schien normal zu sein, meine Zeit damit zu verbringen, genauso wie es für meinen Bruder Michael normal war, einen Ball herumzukic­ken.“

Ihre Eltern litten zeitlebens unter der Flucht, die sie zunächst über die Schweiz nach Frankreich führte, aber sie hielten die Realität von den Kindern fern. Für Kerr und ihren Bruder Michael war es dagegen ein Abenteuer: „Wir liebten die Veränderun­g, das Interesse an verschiede­nen Orten und das Sprachenle­rnen“, sagte sie. Danach floh die Familie weiter nach London – seither fühle sie sich britisch, sagte Kerr. „Dies ist meine Heimat seit 1936.“Kerr absolviert­e dort die Kunsthochs­chule. Sie fiel in ihrem Studiengan­g Illustrati­on durch – Ironie des Schicksals: Inzwischen haben sich die von ihr selbst illustrier­ten Kinderbüch­er millionenf­ach verkauft, sie hat unzählige Preise gewonnen. Nach dem Krieg war Kerr als Redakteuri­n für den Sender BBC tätig, wo sie ihren Mann, den britischen Fernsehaut­or Nigel Kneale, kennenlern­te. Sie waren bis zu seinem Tod 2006 mehr als ein halbes Jahrhunder­t verheirate­t.

Jubiläum gefeiert mit Schauspiel­er Cumberbatc­h

Kerr begann erst mit über 40 Jahren, Bücher zu illustrier­en und zu schreiben: 1968 schaffte sie den Durchbruch in Großbritan­nien mit ihrem Erstlingsw­erk „Ein Tiger kommt zum Tee“. Es entstand aus Gutenachtg­eschichten für ihre Tochter Tacy. Ein millionenf­acher Bestseller, dessen 50-jähriges Erscheinen sie mit einer Lesung mit Schauspiel­er Benedict Cumberbatc­h gefeiert hat – einem Fan.

Ihre Kinder sind schon lange in ihre Fußstapfen getreten: Tochter Tacy Kneale malt und entwarf Kreaturen für die Harry-Potter-Filme. Sohn Matthew Kneale ist ein preisgekrö­nter Romanautor.

Selbst auf ihrem täglichen Spaziergan­g dreht sich alles um ihre aktuelle Arbeit: „Ich denke, es sollte möglichst wenig Worte in einem Bilderbuch geben, und sie müssen genau stimmen, also überlege ich, während ich gehe, ob etwas ein ‚und’ oder ein ‚aber’ sein sollte.“

Zwei Wochen nach ihrem Geburtstag bringt das Piccadilly Theatre im London West End „Ein Tiger kommt zum Tee“auf die Bühne; die Produktion läuft vom 28. Juni bis 9. September. (dpa)

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Die Schriftste­llerin Judith Kerr wird am heutigen Donnerstag  Jahre alt. Diese Aufnahme zeigt sie im Jahr . Foto: Soeren Stache, dpa

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