Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Auf der Suche nach dem WM-Zauber
Die Nationalelf trainiert in Watutinki. Dabei stört die Affäre Erdogan. DFBPräsident Grindel kritisiert Özils Schweigen
Als die deutsche Nationalelf am Mittwoch zum ersten Mal ihren WM-Trainingsplatz in Watutinki betrat, ertönte der 70er-Jahre-Klassiker „That‘s the way (I like it)“. Um jenen Song vernehmen zu können, hatten die Spieler eine Riesenstraße überqueren müssen. Aus ihrem Teamquartier heraus ging es vorbei an Mietskasernen, entlang an einem Spalier aus Soldaten und hinauf auf das Trainingsgelände des Militärklubs ZSKA Moskau.
Ob das alles wirklich voll nach dem Geschmack von Kapitän Manuel Neuer und Co. ist, darf bezweifelt werden. Watutinki, soviel steht fest, ist nicht Santo André, wo vor vier Jahren im Campo Bahia an der Atlantikküste ein Titel bringender Geist erzeugt wurde. Das konnte selbst der Bundestrainer nicht verneinen: „Wir haben hier den Charme einer guten, schönen Sportschule“, sagte Joachim Löw am Mittwoch. Der 58-Jährige hatte ja den Badeort Sotschi präferiert. Aber: „Auch 2014 war die Euphorie nicht am ersten Tag da“, sagte Löw, „sie kam erst mit unseren Ergebnissen.“Daher lautete sein Appell: „Es darf keine Energie damit verschwendet werden. Wir müssen uns arrangieren.“
Bei der ersten deutschen Übungseinheit auf russischem Boden konnte Mesut Özil wieder mitmachen. Der Mittelfeldspieler litt zuletzt an Rückenund Knieproblemen. Am Mittwoch wirkte er beweglich und vergnügt. „Zurück beim Team, rechtzeitig zu unserem ersten Training in Russland“, hieß es auf Özils Twitter-Account.
Zur Affäre „Erdogan“, die er und Ilkay Gündogan durch das Foto mit dem türkischen Machthaber losgetreten hatten, schweigt Özil weiter. Löw nicht: „Meine Aufgabe ist es jetzt, die Spieler so weit in die Form zu bringen, dass sie für die Mannschaft einen Wert haben“, sagte Löw. Sollte es beim ersten WMGruppenspiel gegen Mexiko am Sonntag (17 Uhr/ZDF) wieder Pfiffe geben, „dann ist das so. Wünschen würde ich es mir aber anders.“
Der Verband wurde für den Umgang mit der Causa kritisiert. Das wollte DFB-Präsident Reinhard Grindel nicht auf sich sitzen lassen: „Ich habe viel von schlechtem Krisenmanagement lesen“, sagte Grindel. Der 56Jährige unterschätzt die Sache nun nicht mehr und sendete kritische Worte Richtung Özil: „Wenn er denn schon in Interviews keine Antworten geben will“, sagte Grindel, „dann vielleicht auf dem Platz.“