Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Der Usain Bolt des Thüringer Beckens
Selbst ist der Mann :Noch eine Woche bis zum Tag des Sportabzeichens in Erfurt. Volontär Norman Börner testet die verschiedenen Disziplinen. Teil 2: Schnelligkeit
Was bisher geschah: Ich konnte mich erfolgreich vor dem 3000-Meter-Lauf drücken. Eine mysteriöse Verletzung wirft mich von der Langstrecke, bevor ich überhaupt einen Fuß auf diese gesetzt habe. Steckste nicht drin! Die Chance das Sportabzeichen wirklich mit nach Hause zu nehmen: somit dahin. Die Wahrscheinlichkeit das Steigerwaldstadion auf zwei Beinen zu verlassen: gestiegen.
Doch jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Um den 100-MeterSprint werde ich nicht herum kommen. Ein Klacks, denke ich mir. Und so alltagstauglich. Sollte ich mal einem Nashorn oder einem Erdrutsch entfliehen müssen, dann kann es nicht schaden, möglichst schnell viele Meter zwischen mich und das nahende Unglück zu bringen.
Doch genug der Träumerei. Ich schaue noch mal auf die harten Fakten im Regelbuch des Landessportbundes. 16,8 Sekunden brauche ich für Bronze. Der Klappentext der Kategorie Schnelligkeit – in der ich auch schwimmen, radfahren oder geräteturnen könnte – liest sich wie folgt: „Unter Schnelligkeit wird die Fähigkeit verstanden, aufgrund kognitiver Prozesse, maximaler Willenskraft und der Funktionalität des Nerven-Muskel-Systems höchstmögliche Reaktionsund Bewegungsgeschwindigkeiten zu erzielen.“
Dachte ich es mir doch: Schnell laufen ist zu zwei Dritteln Kopfsache. Zum Glück nannte man mich schon im Kindergarten ein Mentalitätsmonster. Oder so ähnlich. Irgendwas mit Monster auf jeden Fall.
„Unterschätz‘ es nicht! Ab der Hälfte zieht sich die Strecke“, mahnt Alexander Krospe vom Landesportbund. Ich beschließe einfach zu rennen wie ein Irrer. Ohne Rücksicht auf Verluste und die „Funktionalität meines Nerven-Muskel-Systems“. Nimm das, du mein schwammig gewordener Körper!
Ich platziere meine 85 Kilo Wettkampfgewicht im Startblock. Am anderen Ende der Laufbahn winkt Prüferin Antje Lorenz. Ihr Daumen geht nach oben. „Auf die Plätze, fertig, los“, zählt es hinter mir herunter. Die Startklappe schlägt zu und ich schieße los. Nachdem ich ungefähr die Hälfte der Strecke geschafft habe, erinnere ich mich an die Worte meines Mentors. Hüte dich vor dem 50. Meilenstein erklingt „Mister Miyagi“Krospe in meinem Ohr. Doch ich spüre, dass etwas geht und lege einen Gang zu. Ziellinie. Ich plumpse wie ein nasser Sack auf den Rasen des Stadions.
„16,2 Sekunden“, höre ich es dumpf aus meiner Höhle aus Schweiß und Herztrommeln. Ich fühle mich zwar wie von Erdrutsch und Nashorn gleichzeitig überrollt, aber ich bin ein verifizierter Bronzesprinter.
Mein Ehrgeiz ist geweckt. Zumindest das Bronzelevel scheint meisterbar. Sobald ich mich wieder bewegen kann, werde ich im Weitsprung die Gesetze der Physik ad absurdum führen. Die Anforderungen des Sportabzeichens sind in die Kategorien Ausdauer, Koordination, Kraft und Schnelligkeit eingeteilt. Aus jeder Gruppe wird eine Disziplin absolviert. Im Bereich Schnelligkeit werden am Sportabzeichentag je nach Altersklasse 30-, 50- und 100-mSprint sowie 25 Meter Schwimmen angeboten.