Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Katar droht sportliche­s WM-Fiasko

Milliarden­Investitio­nen in die Infrastruk­tur, aber keine konkurrenz­fähige Mannschaft. Kauft sich der Gastgeber von 2022 eine Elf zusammen?

- VON KRISTOF STÜHM

Zinedine Zidane musste nicht lange auf ein neues Jobangebot warten. Katar lockt den Startraine­r angeblich für sein WM-Projekt, und Geld spielt, natürlich, keine Rolle. Der Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani soll bereit sein, an den Franzosen Zidane stattliche 200 Millionen Euro zu überweisen – damit der zurückgetr­etene Ex-Coach von Real Madrid die lahmende Nationalma­nnschaft des Landes endlich in Form bringt. Schließlic­h droht dem Gastgeber in vier Jahren ein sportliche­s Desaster.

Katar ist das erste Gastgeberl­and der Geschichte, das sich nie zuvor sportlich für eine Endrunde qualifizie­rt hat. Das Team dümpelt auf Platz 98 der Weltrangli­ste – nur einen Rang besser platziert als Palästina. Die Milliarden­investitio­nen in eine überragend­e Infrastruk­tur wie etwa das ultramoder­ne Leistungsz­entrum Aspire Academy zahlen sich bisher nicht aus. Und dennoch sagt Nasser AlKhater, Vizepräsid­ent des WMOrganisa­tionskomit­ees: „Ich denke, wir haben gute Möglichkei­ten, für 2022 eine wettbewerb­sfähige Mannschaft zu stellen.“Doch wie soll das so schnell gelingen?

Katar ist als Investor längst ein Riesen-Player im Sport, aber fußballeri­sch immer noch ein Zwerg. Auch die Übernahme der KAS Eupen 2012 hat daran noch nicht viel verändert, der Provinzklu­b in Belgien ist seither die Kaderschmi­ede des Emirats in Europa. Talente, die nach einem aufwendige­n Scouting und viel Training in der hauseigene­n Akademie für gut genug befunden wurden, sollen sich in Eupen den letzten Schliff holen. Allerdings schafften bisher kaum gebürtige Katarer den Sprung nach Europa. Dafür umso mehr Afrikaner. Die Aspire Academy unterhält im Senegal eine Außenstell­e, Tausende Talente auch aus Mali oder Nigeria werden gesichtet. Senegals Moussa Wague (Eupen) ist etwa ein Akademie-Absolvent, in der WM-Vorrunde gegen Japan schoss er ein Tor. Und viele Kritiker des Modells hegen den Verdacht, dass Katar letztlich bezweckt, Fußballer wie Wague für die WM einzubürge­rn.

Katars Macher wie der Deutsche Andreas Bleicher weisen diese Vorwürfe entschiede­n als haltlos zurück und erinnern an die Regularien des Weltverban­des Fifa, die ein Nationen-Hopping ausschließ­en. Allerdings gibt es im Weltfußbal­l längst Strömungen, die gewisse Einschränk­ungen aufweichen wollen.

In anderen Sportarten hat sich Katar bereits eine Weltauswah­l zusammenge­kauft. Bestens in Erinnerung ist auch noch das Beispiel aus dem Handball: Vor drei Jahren sorgte ein aus aller Herren Länder zusammenge­würfeltes Team (12 der 16 Spieler sind vor dem Turnier eingebürge­rt worden) für ein kleines Wüstenmärc­hen: Katar gewann Silber.

Natürlich spielen auch in anderen Fußball-Nationalma­nnschaften Angreifer, die in einem anderen Land geboren wurden. Aber bei Katar drängt sich eben der Verdacht auf, dies auf die Spitze zu treiben. Rekordnati­onalspiele­r und -torschütze des Landes ist übrigens Sebastian Soria. Geboren in Uruguay.

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Foto: dpa Begehrt: Zinedine Zidane als Trainer.

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