Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Löffelablage
Wie halten Sie es mit der Untertasse? Sonntags mit Oma und Frankfurter Kranz ja, in der Woche zum morgendlichen Marmeladenbrötchen nie? Wenn ich den Frühstückstisch decke, denke ich immer öfter über die Funktion dieses Geschirrteils nach. Man stellt sie hin, aber räumt sie meist genauso sauber wieder ab. Ich finde, eine schöne große Kaffeetasse wirkt „ohne“auf einem blanken Tisch viel edler.
Einst nutzte man die Untertasse als Hilfestellung zum Trinken und zum Abkühlen der zu heißen Flüssigkeit in der Tasse. Deshalb haben ältere Teile auch einen höheren Rand. Teetrinker legten ihren Kandis auf den Unterteller, Tee drauf, schlürfen, fertig. Vor Erfindung des Kaffeefilters goss man den türkisch Gebrühten in kleinen, satzlosen Schlucken um. Die „Trembleuse“oder Zittertasse verhalf auch durch den suppenschalenähnlichen Zuschnitt des Untertellers zum gefahrlosen Verzehr der Morgenschokolade im adligen Schlafgemach.
Neuzeitlich plattgedrückt kann man allenfalls seinen Kaffeelöffel nach dem Umrühren darauf ablegen oder den komischen eingepackten Keks, den es in vielen Lokalen zum Heißgetränk gibt – braucht es dafür einen Teller? Man stellt die Untertasse hin, weil man es immer so tat. Obendrauf und untendrunter bilden sozusagen eine genusshistorische Einheit.
Genauso unnütz wie der vorherige Satz ist die neuzeitliche Funktion des Teils in Zeiten von Pötten und To-go-Bechern. Und von den immer viel zu kleinen Untertassen unter den unsäglichen Latte-Macchiato-Gläsern fallen die immer viel zu langen Löffel beim Abräumen eh runter. In modernen Kaffeehausketten sucht man die Untertasse vergeblich. Schon der arbeitsintensiven und umweltschädlichen Spülgänge wegen. Untertasse ist out, Deckel obendrauf ist in. Gab’s aber auch früher schon: heißt Schnabeltasse. Funktioniert auch irgendwie besser als das kleine Loch im Togo-Deckel. Man verbrüht sich nicht dauernd. Aber man könnte ja aus dem zu heißen Becher etwas auf eine kleine, mitgebrachte Untertasse gießen …