Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Wir sind Wimbledon
Wie Tennis eine Sportnation verzückt
Wenigstens ein Finale haben wir Deutschen am Wochenende gewonnen. Wir sind Wimbledon!
Angelique Kerber hat als erste Deutsche – 22 Jahre nach Steffi Graf – das bedeutendste Tennisturnier der Welt gewonnen. Das erfolgsverwöhnte (Sport)Land bekam so am Samstag einen Titel geschenkt, mit dem so recht keiner gerechnet hatte.
Eigentlich war das Wochenende seit Monaten schon anders geplant: Am späten Sonntagnachmittag verteidigt die deutsche Nationalelf erstmals ihren Weltmeistertitel. Löw und Co lassen sich in Moskau den Pokal überreichen und gratulieren brav wem auch immer zur Vizeweltmeisterschaft. In Deutschland sind schon seit Tagen die WMSouvenirs ausverkauft, die schwarzrotgoldenen Fahnen wehen vor jeder Haustür im Wind. Am Abend tanzen die Menschen auf den Straßen zwischen hupenden Autokorsi. Im Freudentaumel hat die Politik ihre Gesetze durchgewunken. WMEuphorie, was willst du mehr . . .
Doch die vergangenen vier Wochen verliefen anders als geplant.
Die Rettung kam am Samstag, heißt Angelique Kerber und jagt einem gelben Filzball nach. Mehr als acht Millionen Menschen sehen der Kielerin dabei zu, wie sie sich den „Traum meiner Träume“erfüllt.
Wird es jetzt wieder einen TennisHype in Deutschland geben – so wie dereinst, nachdem der damals 17jährige Boris Becker erstmals Wimbledon gewann? Klar ist: Becker muss sein „Wohnzimmer“, wie er den Hauptplatz in London bezeichnet, nun auch mit Kerber teilen. Dem Tennissport ist nach ihrem Sieg eine neue Blütezeit in Deutschland zu wünschen.