Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Frankreich jubelt

Finale: 4:2Sieg gegen Kroatien – entscheide­nd ist dabei das 2:1. Triumph für Deschamps auch als Trainer

- VON PIT GOTTSCHALK

Party in Paris – Frankreich ist nach 1998 zum zweiten Mal Fußballwel­tmeister. Tausende Fans feierten am Sonntag in der Hauptstadt den Sieg ihrer „Équipe Tricolore“im WMFinale gegen Kroatien mit 4:2. Foto: Reuters

In der Sekunde, als Schiedsric­hter Nestor Pitana mit einem Elfmeterpf­iff seinen Lauf über 50 Meter vom Monitor am Spielfeldr­and zurück zum Strafraum der Kroaten beendete, schickte der Himmel einen krachenden Seufzer ins Luschniki-Stadion. Ein Donnerhall entwich den dunklen Wolken über Moskau und begleitete den französisc­hen Angreifer Antoine Griezmann zum Abschluss eines wirklich historisch­en Ereignisse­s. Frankreich ist zum zweiten Mal seit 1998 Weltmeiste­r — und diese eine Szene drehte ein spektakulä­res Finale zu seinen Gunsten. 4:2 (2:1) über Kroatien, das torreichst­e WM-Endspiel seit 1966: „Das ist zu schön, zu wunderbar“, schwärmte der neue Weltmeiste­r-Trainer Didier Deschamps. Nichts wollte er davon hören, dass er jetzt nach Mario Zagallo und Franz Beckenbaue­r der Dritte ist, der als Trainer und Spieler Weltmeiste­r wurde: „Ich bin überglückl­ich für das Team. Wir kommen von weit her, es war nicht einfach. Jetzt sind wir auf dem Dach der Welt.“

Als die Franzosen mit dem Goldpokal noch immer freudetrun­ken über den Rasen tanzten, nass bis auf die Knochen, hatte der Himmel alles gegeben, was die WM 2018 zum Abschluss brauchte. Donnerhall vor dem Führungsto­r. Goldenes Lametta aus Konfettima­schinen. Und Regenfälle bei der Siegerehru­ng, wie man sie wohl nie bei einem WM-Endspiel gesehen hatte. Da passte ins Bild: Die Tore fielen wie aus heiterem Himmel.

Zum ersten Mal in 88 Jahren WM-Geschichte fiel ein Tor dank Videobewei­s in einem Finale, weil der Unparteiis­che aus Argentinie­n lieber TV-Bildern als seinen Augen vertraute. Nachdem er sich die Szene im Video angeschaut hatte, war er sich sicher, dass der frühere Dortmunder Ivan Perisic, sieben Minuten vorher Torschütze des Ausgleichs, den Ball in der 35. Minute mit der Hand im Strafraum berührt hatte. Griezmann verwandelt­e den Strafstoß.

Die Bilanz von drei Toren in den ersten 45 Minuten und die Aufregung um die Interventi­on beim Videobewei­s waren Indizien dafür, dass es sich um ein spektakulä­res Endspiel handelte. Zumal es noch einen weiteren Grund für heftige Diskussion­en gab. Die Franzosen hatten ihr erstes Tor nach 18 Minuten geschenkt bekommen.

Griezmann schlenzte einen Freistoß, der wahlweise aus einem Allerwelts­foul oder einer Schwalbe entstanden war, aus 25 Metern so geschickt in den Strafraum, dass Kroatiens Stürmersta­r Mario Mandzukic den Ball mit dem Kopf unglücklic­h ins eigene Tor lenkte. Das erste Eigentor in einem WM-Finale. Und typisch für diese WM: Gelingt Frankreich keine Torchance aus dem Spiel, muss eine Standardsi­tuation her.

Beinahe jeder zweite Treffer fiel bei dieser WM nach einer Standardsi­tuation. Und so ging es in diesem Finale weiter. Ein Freistoß des Ex-Schalkers Ivan Rakitic segelte zunächst halbrechts in den Strafraum des Gegners, als der Ball vom Frankfurte­r Ante Rebic überrasche­nd quer zu Perisic weitergele­itet wurde. Der legte sich den Ball zum Schuss aus halblinker Position zurecht. Bisher lagen die Kroaten jedesmal in der K.o.-Runde zurück und kamen zum Ausgleich.

Dann jene 35. Minute, die in die Geschichte des Fußballs eingeht – weil es nie zuvor einen Videobewei­s in einem WM-Finale gegeben hatte. Nach Griezmanns Elfmeterto­r mussten die Kroaten offensiver werden. Aber sie kamen nach der Pause nur sporadisch vors Tor und öffneten die eigene Verteidigu­ng auf eine Weise, dass Frankreich jetzt die spielerisc­he Überlegenh­eit in Toren ausdrücken konnte. Zuerst durch Paul Pogba (59.), dann durch Kylian Mbappé (65.).

Das dritte Tor durch Pogba: Nach einer Verlagerun­g auf rechts zieht Mbappé Verteidige­r auf sich; sein Pass gelangt zu Griezmann im Zentrum, der klug auf Pogba im Hintergrun­d ablegt. Der erste Schuss wird abgeblockt, der Nachschuss sitzt. Das vierte Tor durch Mbappé: Lucas Hernandez kann sich links durchsetze­n und zu Mbappé passen, der aus 18 Metern flach ins linke Eck abzieht. Das Spiel schien damit nach einer Stunde entschiede­n.

Die WM der Tore nach Standards

Doch lernte man in diesem Finale noch, dass ein Torhüter, der die Reihenfolg­e der Buchstaben L, O, R, I und S irgendwie im Namen trägt, grundsätzl­ich zu folgenschw­eren Patzern in einem Endspiel neigt. Wie Loris Karius (FC Liverpool) im Endspiel der Champions League gegen Real Madrid beförderte Frankreich­s Torwart Hugo Lloris einen harmlosen Befreiungs­schlag auf den Fuß des gegnerisch­en Stürmers, dass der Ball postwenden­d ins Tor trudelte. In dem Fall profitiert­e Mandzukic vom LlorisMiss­geschick. Mehr als Ergebnisko­smetik war’s aber nicht. Die kroatische­n Fans im Stadion feierten ihre Spieler trotzdem für den größten Erfolg der Verbandsge­schichte.

Überglückl­ich im Regen von Moskau

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 ?? Foto: Sahun Botteril, Getty ?? Torwart Hugo Lloris streckt den Pokal in die Höhe: Frankreich setzte sich hoch überlegen gegen Kroatien durch.
Foto: Sahun Botteril, Getty Torwart Hugo Lloris streckt den Pokal in die Höhe: Frankreich setzte sich hoch überlegen gegen Kroatien durch.
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Der Ball springt an die Hand von Ivan Perisic. Der Schiedsric­hter entscheide­t nach Blick auf die TV-Bilder auf Elfmeter, den Frankreich zum : verwandelt.
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Nicht mehr zu halten: Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron. Foto: dpa
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Frankreich­s Spieler fliegen. lassen Didier Deschamps Fotos (): Reuters

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