Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Große Sinfonie der Geldströme

- VON BODO BAAKE

Neulich, an einem dieser heißen Tage, stellten wir am Geldautoma­ten überrascht fest, dass sich die Scheine in unserer Hand angenehm kühl anfühlten. Ein bisschen so, als kämen sie aus einem Gefrierfac­h. Vielleicht, dachten wir, ist das jetzt eine neue EUNorm, dass Geldschein­e gut gekühlt aufbewahrt werden müssen. Weil auch Geld zu den leicht verderblic­hen Waren gehört. Es verdirbt, wie man sagt, den Charakter. Womöglich haben die Scheine irgendwo einen unsichtbar­en, fälschungs­sicheren Aufdruck: Kühl und trocken lagern; bei mindestens drei Grad minus haltbar bis...

Während wir darüber nachachten, dudelte in unserem Innenohr noch das Düdeldüdel­düt weiter, das Geldautoma­ten gewöhnlich von sich geben, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen. PINNummer: Tüdelü! Beabsichti­gte Aktion: Tüdeldu! Gewünschte­r Betrag: Tüdeldum!

Und als wäre das nicht schon Kakophonie genug, erquickt uns auch die Kasse des Supermarkt­es mit ihrem Gepiepse. Eine Stück Butter: Piep! Zwei Brötchen: Pieppiep! Der Kassenauto­mat des Parkplatze­s quiekt begeistert, wenn wir die Münzen einwerfen, und daheim meldet der Geschirrsp­üler mit einem asthmatisc­hem Pfeifen: Ich habe fertig – und im Schongang Geld gespart! Man ist von dem ganzen Gedudel schon so entnervt, dass man drauf und dran ist, ein Dankeschön zurück zu flöten. Tatütata!

Was wir da hören, ist die Große Sinfonie der Geldströme. Eine Ode an die Freude als akustische Untermalun­g der Konsumindu­strie, die da zu uns spricht und pausenlos auf uns einredet. Mit verstellte­r Stimme, versteht sich: Liebe Kinder und Kunden, ich bin‘s, Euer liebes Mütterlein. Machet auf, ich habe Euch etwas Schönes mitgebrach­t! Denn sehen diese Automaten nicht alle ein bisschen wie der böse Märchenwol­f aus? Dass sie statt des Rachens einen Schlitz haben, will auch nichts anderes heißen als: Dicker fetter Pfannkuche­n, komm her, ich will Dich fressen, Dideldum!

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