Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Große Sinfonie der Geldströme
Neulich, an einem dieser heißen Tage, stellten wir am Geldautomaten überrascht fest, dass sich die Scheine in unserer Hand angenehm kühl anfühlten. Ein bisschen so, als kämen sie aus einem Gefrierfach. Vielleicht, dachten wir, ist das jetzt eine neue EUNorm, dass Geldscheine gut gekühlt aufbewahrt werden müssen. Weil auch Geld zu den leicht verderblichen Waren gehört. Es verdirbt, wie man sagt, den Charakter. Womöglich haben die Scheine irgendwo einen unsichtbaren, fälschungssicheren Aufdruck: Kühl und trocken lagern; bei mindestens drei Grad minus haltbar bis...
Während wir darüber nachachten, dudelte in unserem Innenohr noch das Düdeldüdeldüt weiter, das Geldautomaten gewöhnlich von sich geben, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen. PINNummer: Tüdelü! Beabsichtigte Aktion: Tüdeldu! Gewünschter Betrag: Tüdeldum!
Und als wäre das nicht schon Kakophonie genug, erquickt uns auch die Kasse des Supermarktes mit ihrem Gepiepse. Eine Stück Butter: Piep! Zwei Brötchen: Pieppiep! Der Kassenautomat des Parkplatzes quiekt begeistert, wenn wir die Münzen einwerfen, und daheim meldet der Geschirrspüler mit einem asthmatischem Pfeifen: Ich habe fertig – und im Schongang Geld gespart! Man ist von dem ganzen Gedudel schon so entnervt, dass man drauf und dran ist, ein Dankeschön zurück zu flöten. Tatütata!
Was wir da hören, ist die Große Sinfonie der Geldströme. Eine Ode an die Freude als akustische Untermalung der Konsumindustrie, die da zu uns spricht und pausenlos auf uns einredet. Mit verstellter Stimme, versteht sich: Liebe Kinder und Kunden, ich bin‘s, Euer liebes Mütterlein. Machet auf, ich habe Euch etwas Schönes mitgebracht! Denn sehen diese Automaten nicht alle ein bisschen wie der böse Märchenwolf aus? Dass sie statt des Rachens einen Schlitz haben, will auch nichts anderes heißen als: Dicker fetter Pfannkuchen, komm her, ich will Dich fressen, Dideldum!