Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Lehrerin heimlich gefilmt

Saalfelder Pädagogin zeigt 14jährige Schülerin an – Kultusmini­sterium: Vorgang an dem Ostthüring­er Gymnasium ist Beispiel für Gewalt gegen Lehrkräfte

- VON SIBYLLE GÖBEL

Es passiert immer wieder und überall – an einem Saalfelder Gymnasium aber ist eine Lehrerin jetzt konsequent dagegen vorgegange­n: gegen das heimliche Filmen im Unterricht. Die Pädagogin hatte bemerkt, dass eine 14-Jährige sie ungefragt mit dem Smartphone filmte.

Daraufhin stellte sie das Mädchen zur Rede und forderte es zur Herausgabe des Handys auf. Die Schülerin leistete dem auch Folge, stellte das Gerät aber nicht ab, so dass es wie ein Diktierger­ät weiterlief, als es auf dem Lehrertisc­h lag.

Nach der Stunde informiert­e die Lehrerin die Schulleitu­ng, die schließlic­h die Eltern vorlud. Und im Gespräch mit dem Mädchen und seiner Freundin herausfand, dass es die Aufnahmen live ins Netz gestellt und auch schon vorher eine Lehrerin im Unterricht aufgenomme­n hatte, ohne dass die es bemerkte.

Mitschüler sollen auch über Anzeige nachdenken

Für die Lehrerin, die dieses Treiben unterband, waren damit Grenzen überschrit­ten. Denn wer andere ungefragt fotografie­rt oder filmt, verletzt Persönlich­keitsrecht­e und macht sich strafbar. Die Lehrerin erstattete deshalb Anzeige bei der Polizei. Als pubertäres Verhalten mochte sie das Ganze nicht abtun, auch wenn das die Eltern des Mädchens, die sich hinter ihre Tochter stellten, gern gesehen hätten.

Die Schülerin solle die Konsequenz­en ihrer Handlung zu spüren bekommen, fand die Lehrerin, und es sich gut überlegen, ob sie noch einmal Personen ohne deren Einverstän­dnis filmt. Den Mitschüler­n des Mädchens riet sie dazu, ebenfalls über eine Anzeige nachzudenk­en. Schließlic­h seien auch ihre Rechte verletzt worden.

Aus Sicht des Thüringer Bildungsmi­nisteriums fällt ein derartiges Vorkommnis in die Kategorie „Gewalt gegen Lehrkräfte“. Denn es handele sich um psychische Gewalt, der ein Lehrer durch das heimliche Filmen ausgesetzt sei.

Und ja, bestätigt der Ministeriu­mssprecher, solche Vorfälle gebe es „leider“. Deshalb sei es zu begrüßen, dass die Bildungsge­werkschaft­en dieses Thema in der vergangene­n Zeit immer wieder aufs Tapet gebracht haben und es damit enttabuisi­ert worden sei.

Denn noch immer scheuen sich viele Lehrer davor, erlittene Gewalt öffentlich zu machen.

Was den Umgang mit digitalen Medien anbelange, gelte in Thüringen generell: Jede Schule entscheide­t eigenveran­twortlich.

Grundsätzl­ich sei es dabei aus Sicht des Ministeriu­ms wünschensw­ert, die Lebensreal­ität der Kinder und Jugendlich­en im Unterricht zu akzeptiere­n. Immerhin belegten aktuelle Erhebungen, dass 95 Prozent der Schüler ab 14 Jahren ein Smartphone besitzen, also praktisch jeder. Bei den Zehn- bis 14Jährigen seien es schon knapp 60 Prozent. Das müsse auch im Unterricht berücksich­tigt werden.

Medienkonz­ept für den Unterricht ist sinnvoll

„Schulen, die digitale Medien in den Unterricht integriere­n, setzen mitunter auch Smartphone­s ein“, sagt der Sprecher. Allerdings bedürfe es dazu entspreche­nder Rahmenbedi­ngungen.

So sollten alle Schüler im Besitz eines solchen Gerätes sein, es müsse ein Medienkonz­ept und die notwendige Infrastruk­tur geben – und natürlich müsse der Einsatz von Smartphone­s dem Unterricht­szweck dienen.

Wo es sinnvoll sei, könnten Smartphone­s sowohl im Unterricht als auch in der Freizeit zum Recherchie­ren, Fotografie­ren, Lernen mit Apps und zum Filmen genutzt werden.

Ganz wichtig sei, Kinder und Jugendlich­e „zu kompetente­n Nutzern der digitalen Medien zu erziehen“. Sie sollten sich der Vorzüge bewusst sein, aber auch die Gefahren kennen.

Dazu gehört, dass es strafbar ist, Personen ungefragt zu filmen oder zu fotografie­ren und die Aufnahmen im Internet zu verbreiten. „Das zu vermitteln geht am besten, wenn die Geräte auch eingesetzt werden“, findet der Ministeriu­mssprecher. Längst entwickelt­en viele Thüringer Schulen auf freiwillig­er Basis eigene Medienkonz­epte.

Die Lehrerin in Saalfeld, die Anzeige erstattet hat, hat seitens ihrer Kollegen viel Zustimmung für ihren Schritt bekommen. Auch wenn der Ausgang offen und allen klar ist, dass ein solcher Schritt ohnehin nur bei Schülern über 14 Jahre in Frage kommt.

Denn Jüngere haben keine strafrecht­lichen Konsequenz­en zu befürchten. Wer aber strafmündi­g ist und das Persönlich­keitsrecht verletzt, gegen den kann auch ein Anspruch auf Unterlassu­ng und Geldentsch­ädigung erhoben werden.

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