Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Multitasker und Tausendsassa
Rainald Grebe begeistert am Freitagabend zwei Stunden lang bei der Jenaer Kulturarena
für ein Heimspiel am Freitagabend in Jena für Rainald Grebe. 3000 Fans kamen zu ihm in sein einstiges Wohnzimmer hinter dem Theaterhaus, wo er selbst einst als Schauspieler, Regisseur und Dramaturg wirkte. Ausverkauft! Schon lange. „Das ist mein Jena“, begrüßt er dann auch liebevoll die Konzertgänger der Kulturarena, nachdem er zwölf Minuten ohne Punkt und Komma mit „Volkslieder singen“durch die verschiedenen Schlager gehetzt war. Stillstand gibt es für Grebe nicht, keine halben Sachen. Sondern immer nur Vollgas, seit er 2002 erstmals solo auf der Bühne stand. So auch an diesem Abend.
„Ich habe hier Lebenszeit verbracht“, lässt er sein Orchester der Versöhnung wissen. „Die Menschen lieben mich hier!“Ja, das ist wohl so. Sie lieben den Grebe, der in schwarzer Jogginghose, weißen Oberhemd, Schlips und Latschen auf der Bühne steht als wäre er zu Hause, manchmal auch mit Indianerschmuck oder weißer Perücke auf dem Kopf. Bei ihm weiß man eben nie, was kommt. Sie lieben den Kabarettisten Grebe, der kein Blatt vor den Mund nimmt, mit Sprache jongliert, ein großartiger Musiker und Entertainer ist, der austeilt, aber auch zu sich gnadenlos ist. All das beweist er bei seinem „Wigwamkonzert“in Jena mit alten und neuen Titeln und seinem unfassbar komischen Geschichten zwischendurch. Er habe noch viele wichtige Konzertauftritte vor sich, deshalb müsse er diesen Abend zum Proben nutzen. Die Texte seien Platzhalter, aber schon mal ein Anfang. Sagt’s und erzählt in seinem Lied „Multitasker“, was er alles gleichzeitig kann: Abwaschen, Socken stopfen, Stullen schmieren, mit 200 Sachen über die Autobahn rasen und gleichzeitig James Joyce lesen, das sei alles kein Problem für ihn, kräht er da hinaus, reißt die runden Augen auf und rudert bis zur Erschöpfung wild mit den Armen.
Sein Arzt habe bereits Burnout diagnostiziert und ihm, dem 47-Jährigen, geraten, ein paar Pfunde los zu werden. Grebe habe sich daraufhin in einem Fitnessstudio angemeldet, erzählt er. Und natürlich ist daraus auch ein neues, großartiges Stück geworden – „Fitnessstudio“.
Wie ein Berserker hetzt er über die Bühne, sprüht sich Wasser aus der Sprühflasche ins Gesicht, gönnt sich nur kurz eine Pause und dem Jenaer Bläserensemble und ihrem „Rennsteiglied“somit einen extra Auftritt. Er erzählt vom Schlaganfall, der ihn im März 2017 in Düsseldorf auf der Bühne ereilt hat: „Ich war verwirrt, hab’ zusammenhangloses Zeug geredet, gestottert. Die Leute fragten: ,Warum kommt er denn nicht wieder raus? Ist doch alles wie immer!‘ War aber nicht so, ich hatte einen Schlaganfall.“
Vom Kürzer-Treten ist nichts zu spüren. Mit einem kurzen „Kortison formte diesen schönen Körper“ist die Episode, die ihn drei Monate außer Gefecht setzte, beendet.
Weiter geht es mit der panischen Frage noch dem Ladegerät, mit seinem Song über das Morgen- und das Abendland, über das goldene Handwerk und das Katastrophenjahr 1968, als die Ehe noch bis zur Beerdigung hielt und man bei Problemen in die Kirche oder Kneipe ging und nicht zum Therapeuten. Aber seit der Revolution 1968 geht’s abwärts.
Er gerät ins Fabulieren und legt Schüttelreime nach
Immer wieder gerät er zwischendurch ins Fabulieren, und es ist ein großes Vergnügen, ihm dabei zuzuhören. Und damit es ja nicht langweilig wird, legt Grebe auch noch ein paar Schüttelreime nach: „Malte macht am Morgen Sachen, die mir langsam Sorgen machen.“
Als Zugabe dann in Jena nach über zwei Stunden stimmt Grebe noch die Thüringen-Hymne an. Er wisse, was er seinem Jenaer Publikum schuldig sei: „Thüringen, Thüringen, Thüringen. Das grüne Herz Deutschlands. Seit wann sind Herzen grün? Grün vor Neid aufgrund von Bedeutungslosigkeit. Grün vor Hoffnung, dass es lange Zeit so bleibt.“
Das Lied ist Kult hierzulande, die Arenabesucher singen lauthals mit, ziehen das „Ü“, bis der Atem nicht mehr reicht und amüsieren sich prächtig.
• Mehr Fotos gibt‘s im Internet unter www. tlz.de