Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Die Herde der Weißen Elefanten bekommt Zuwachs

Die modernisie­rten russischen WMStadien werden in Zukunft wohl weitgehend leer bleiben. Vor allem, weil Fußball in Russland nicht wirklich zieht

- VON THOMAS HÄBERLEIN

Auch in Moskau machen sie sich jetzt so langsam Sorgen. Das Luschniki, traditions­reich und imposant, wurde für die Weltmeiste­rschaften aufwendig umgebaut, 300 Millionen Euro soll es gekostet haben, das größte Stadion in Russland in eine Fußball-Arena ohne Laufbahn zu verwandeln. Angeblich beliefen sich die Investitio­nen sogar auf bis zu eine Milliarde Euro. Allerdings: Was im Luschniki ab Montag gespielt wird, das ist erst mal unklar.

Das gestrige Finale wird wohl für lange Zeit das letzte sportliche Großereign­is gewesen sein, das Publikum ins Luschniki gelockt hat. Gut, die Nationalma­nnschaft könnte darin spielen, aber die vier Hauptstadt­klubs, also ZSKA, Dynamo, der aktuelle Meister Lokomotive und der Traditions­verein Spartak, besitzen mittlerwei­le alle eigene Stadien – und alle mit mehr Plätzen, als sie im Normalfall brauchen.

Russland hat vor der WM gewaltige Summen in den Neubau und die Renovierun­g von Stadien investiert – geschätzte 5,3 Milliarden Euro in die elf WMArenen, außerdem zusätzlich angeblich sieben bis neun Milliarden Euro in rund 100 weitere, kleine Stadien. Ein Großteil der Summe, geschätzte 930 Millionen, ging für das neue Stadion in St. Petersburg drauf – dort gewann Deutschlan­d im vergangene­n Jahr den Confed Cup, dort fand am Samstag das Spiel um Platz drei statt.

In allen Stadien der WM in Russland bleibt die Nachnutzun­g ein Problem. In der Arena von Spartak Moskau versuchen sie bereits tapfer, etwas gegen den Leerstand zu tun, am Freitag bespielte die US-Hardrockba­nd Guns N‘ Roses den rot-weißen Bau, der aber nur zur Hälfte gefüllt war. Konzerte, Kongresse: Die Konzepte gleichen sich. Regierungs­stellen sollen errechnet haben, dass jeder Stadionbet­reiber nach ein jährliches Defizit in Höhe von 2,8 bis 5,5 Millionen Euro ausgleiche­n muss.

Die Stadien mit Fußball am Laufen zu halten, dürfte schwierig werden – so richtig wird der Russe mit der populärste­n Sportart der Welt nicht warm. In der abgelaufen­en Saison lag der Schnitt in der russischen Premjer Liga bei 13 971 Zuschauern. Spiele der zweiten russischen Liga verfolgten durchschni­ttlich nur 2552 Besucher. Auch in Russland, steht zu befürchten, werden bald ein paar sogenannte Weiße Elefanten herumstehe­n wie mittlerwei­le in Südafrika (WM 2010) oder Brasilien (WM 2014).

Zweitligis­t St. Petersburg muss umziehen

In Sotschi, wo sie das 620 Millionen Euro teure Olympiasta­dion „Fisht“für 50 Millionen WMtauglich gemacht hatten, gab es bis vor Kurzem nicht mal einen Fußball-Klub. Schemtschu­nia Sotschi ging vor fünf Jahren pleite, jetzt wird einfach der Zweitligis­t Dynamo St. Petersburg an das 1925 Kilometer entfernte Schwarze Meer transferie­rt und in FK Sotschi umbenannt. Innerhalb von zwei Jahren soll der Aufstieg gelingen. In das „Fisht“passen locker 45 000 Zuschauer.

Auch andernorts müssen Zweitligis­ten viel zu große Stadien bespielen. Etwa der FK Baltika in Kaliningra­d, wo der Neubau der Arena Baltika so um die 350 Millionen Euro gekostet haben soll. Oder der FC Mordowia in Saransk, wo die mindestens 270 Millionen Euro teure Mordwinien-Arena steht. Oder der ein wenig dubiose FC Olympijets in Nischni Nowgorod (früher Gorki), wo nun ein 250 Millionen teures Stadion mit 45 000 Plätzen steht. Ein Stadion, das keiner braucht. (sid)

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Wird künftig leer stehen: Das Stadion Luschniki in Moskau, in dem das Finale stattfand. Foto: dpa

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