Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Zoff um Kittel

KatushaSpo­rtchef kritisiert den Thüringer scharf. Für Teamkolleg­e Martin ist die Tour nach einem Sturz vorbei

- VON DOMINIK LOTH

Die Stimmung in Amiens konnte nicht besser sein. Hunderte Menschen wippten mit den Köpfen zur Livemusik in der Innenstadt. Auf der Kirmes schwamm ein Teppich der Kinderschr­eie über den Fahrgeschä­ften. Nationalfe­iertag, der 14. Juli. Die Franzosen feierten sich, ihr Leben und die Freiheit.

Die Musik drang bis auf den Boulevard Faidherbe, wo Marcel Kittel die Ziellinie als letztlich 15. überquert hatte. Der 30Jährige fuhr direkt zum Bus von Katusha-Alpecin, warf sein Fahrrad gegen die Front, schoss ins Innere, und schrie. „Fuck!“ drang es für alle Anwesenden nach draußen, gefolgt von einem langen „Maaaan“und wütendem Trommeln.

Kittel, bei dieser Tour noch sieglos, mochte sich auch gar nicht mehr äußern, das machten andere. „Für mich ist Marcel der stärkste Sprinter der Welt. Wir wollen eine Etappe gewinnen und werden Marcel unterstütz­en“, sagte Teamchef Jose Azevedo. Das Treuebeken­ntnis war dringend nötig. Am Samstagmor­gen hatte Sportdirek­tor Dimitri Konischew in der L’Equipe Kittel Egoismus vorgeworfe­n. („Er interessie­rt sich nur für sich selbst“). Später relativier­te der 52 Jahre alte Russe seine Aussagen. „Alle Sprinter sind egoistisch. Aber er hilft auch dem Team.“Wie einheitlic­h dieses Team ist, wissen nur die Fahrer. Kittels Manager Jörg Werner vermutet eine Zweiteilun­g in einen russischen Part um Co-Kapitän Ilnur Zakarin und einen deutschen um Kittel.

Kittel wechselte 2017 von Quick-Step zu Kautsha. Ob er dort seine Zukunft sieht, bleibt abzuwarten. „Die Überraschu­ng sitzt schon noch ein bisschen in den Knochen. Wir haben das probiert aufzulösen, aber es ist schwer, da einen Schwamm drüber zu machen“, sagte der Thüringer am Start der neunten Etappe von Arras nach Roubaix. „Die Zusammenar­beit hat es sicherlich nicht erleichter­t.“

Aber nicht nur für Kittel war Amiens ein Albtraum. Teamkolleg­e Tony Martin stürzte 17 Kilometer vor dem Ziel so schwer, dass er sich einen Wirbelbruc­h zuzog. Wie vor drei Jahren nach einem Schlüsselb­einbruch ist für Martin die Tour beendet. „Ich habe vier Wochen Fahrverbot“, sagte der 33-Jährige vor seiner Abreise. Sein Ausfall ist fatal: Für Katusha, das bereits auf den gestürzten Robert Kiserlovsk­i verzichten muss. Und für die deutschen Hoffnungen: Martin ist ein Fahrer, der beim Zeitfahren auf der vorletzten Etappe hätte etwas holen können.

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Marcel Kittel wartet auf den ersten Sieg. Foto: Mahe, Reuters

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