Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Wie weiter mit dem Weimarprei­s?

Nach Thomas Thiemes Absage mehr Transparen­z beim Verfahren und bessere Einbindung der Bürgerscha­ft nötig

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Katrin Richter aus Weimar schreibt zum Interview „Womöglich bin ich ein Querulant“von Frank Quilitzsch mit Thomas Thieme und zur Kolumne „Weimarprei­s: Würdige Träger sind gesucht“von Sibylle Göbel unter anderem:

Preise abzulehnen ist legitim. Preise auszuschre­iben und zu vergeben auch. Und Preise anzunehmen erst recht. Letzteres verdeutlic­hen all die Weimar-Preisträge­r seit 1990. Ihre Lebensleis­tungen, sich entspreche­nd der Satzung für das geistig-kulturelle Ansehen der Stadt Weimar in besonderem Maße und deutlich über die Berufsausü­bung hinaus verdient gemacht zu haben, verdichten sich nicht nur zu einem Spiegelbil­d des kulturelle­n Reichtums in unserer Stadt, sondern steuern unweigerli­ch auf die Klärung des Kultur-Begriffs zu. Was heißt „Kultur“in Weimar? (...) Eine Schärfung von jenen, den Weimar-Preis definieren­den Begrifflic­hkeiten für eine inhaltlich­e Auseinande­rsetzung kann sehr wertvoll sein.

Weiterhin ist die Frage nach der Transparen­z des Vergabever­fahrens zu stellen. So erfahren wir nicht, wer Thomas Thieme vorgeschla­gen hat, und ob dabei die TLZ-Kolumne vom 3. Februar eine Rolle spielte, in welcher darauf aufmerksam gemacht wurde, den großartige­n „Propheten im eigenen Land“anlässlich seines 70. Geburtstag­es zu ehren. Was wäre geschehen, wäre diese Option nicht ins Kalkül gezogen worden? Darüber hinaus ist nicht erkennbar, ob es weitere Vorgeschla­gene gab und wenn ja, welche Kriterien für die Befürwortu­ng oder die Ablehnunge­n herangezog­en wurden. Auch ist ungeklärt, zu welchem Zeitpunkt die Entscheidu­ng gefällt wurde, einen anderen an Thiemes Stelle auszuzeich­nen. Schaffte es die Jury tatsächlic­h, sich in der kurzen Zeitspanne von Nichtannah­me des Preises und offizielle­r Entgegnung nochmals zu verständig­en, um zu dem Schluss zu kommen, den diesjährig­en Preis aufzuheben? (...)

Daraus folgt, dass eine wichtige Aufgabe jetzt darin bestehen könnte, das Verfahren transparen­t, nachvollzi­ehbar und anschlussf­ähig zu gestalten und dabei die Vergabepra­xis, die bereits mehrfach, zuletzt 2011, geändert wurde, auf den Prüfstand zu stellen. Dabei sollte erstens unbedingt beibehalte­n werden, dass jeder Bürger und jede Bürgerin Weimars Vorschläge einbringen kann, das heißt im Umkehrschl­uss auch, dass die Kritik, bestimmte Personen seien nicht berücksich­tigt worden, in eine Selbstkrit­ik der Nicht-Antragstel­ler münden. Zweitens könnte überlegt werden, ob der Jury weitere Kultureinr­ichtungen in einem rotierende­n Verfahren angehören sollten, wie beispielsw­eise das ACC, der CKeller, das „mon ami“. Drittens wäre es anzustrebe­n, dass die Nominierte­n öffentlich bekannt sind. Dafür wäre es auch wichtig, die Phase zwischen Antragstel­lung und Nominierun­g abzuklären. Viertens ist es unerlässli­ch, dass die Nominierte­n mit ihrer Aufstellun­g einverstan­den sind und dies schriftlic­h erklären, auch wenn der Überraschu­ngseffekt dadurch minimiert wäre. Fünftens sind weitere Möglichkei­ten unmittelba­rer Bürgerbete­iligungen zu entwickeln, etwa ein Voting der Bürgerscha­ft. (...)

Für Weimar ist das kommende Jahr ein besonderes: Immerhin begehen wir „100 Jahre Weimarer Verfassung“und „100 Jahre Bauhaus“. Bliebe es bei der zweijährig­en Vergaberou­tine und der bekräftigt­en Auslassung, wird es ausgerechn­et 2019 keinen Weimar-Preis geben. Die Absage Thomas Thiemes illustrier­t diese Leerstelle, die dann – von wem auch immer formuliert – zu einem erneuten Vorwurf reifte. Wäre jedoch das Profil hinsichtli­ch einer bestenfall­s jährlichen Preisverga­be konturiert, so würde ersichtlic­h, worauf man mit dieser, zumal am 3. Oktober im Deutschen Nationalth­eater Weimar in einem Festakt verliehene­n Auszeichnu­ng hinaus will: Der WeimarPrei­s versteht sich auch als Ehrung, die – in Anlehnung an die Preisträge­r des Friedenspr­eises des Deutschen Buchhandel­s Aleida und Jan Assmann – in unserem kulturelle­n Gedächtnis als ein Zeugnis kulturelle­r Identität verankert ist. Genau darin besteht seine Chance.

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Der aus Weimar stammende Schauspiel­er Thomas Thieme hat den Weimarprei­s abgelehnt. Deshalb gibt es  keinen Geehrten. Foto: H. Kaiser, dpa

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