Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Das Prinzip Manufactum
Bevor wir die neue Woche in Angriff nehmen, wollen wir schnell noch ein paar Schlagzeilen der vergangenen rekapitulieren. Das mag ein bisschen martialisch klingen, aber wir leben nun einmal in kämpferischen Zeiten. Immer und überall wird gekämpft, was das Zeug hält. Sieg oder Blut im Schuh, ist die Devise! Die Jenaer Fußballfans kämpfen um den Erhalt der Südtribüne ihres Stadions, die Erfurter gleich um den Erhalt ihres ganzen Vereins. Der Vorsitzende des Kaninchenzüchtervereins T533 Caaschwitz kämpfte mit seinem Stallhasen Klein-Rexe Schwarz um den Europameister-Titel, und die Thüringer Landräte kämpfen für kleinere Schulen. Die Thüringer CDU leistet sich im Wahlkampf sogar einen Dreikampf. Mit der AfD und den Linken. Viel Feind, viel Ehr’! Und heute hier und morgen gestern. Gestern kämpfte die SPD noch vehement für die Hartz-IV-Reform, heute kämpft sie leidenschaftlich dagegen. Wir sind, sagt Andrea Nahles, einerseits sowohl dafür als auch dagegen, andererseits hinwiederum obzwar...
Wann hat das eigentlich angefangen, diese inflationäre Falschmünzerei des Begriffes? War das, als einer ein Buch über seinen Kampf geschrieben hat und darin verquastes Halbwissen abarbeitete? Oder war das später, als in diesem Lande hier keiner war zu klein, ein Friedenskämpfer zu sein? Und als frühmorgens alle Bauern, Bauarbeiter und Bilanzbuchhalter ihre Simson-Suhl-Räder sattelten, den Kampf um die Planerfüllung und den Weltfrieden aufzunehmen? Sicher, das war mal eine schöne Idee – bevor Ideologen und Ideosynkrasien sie verheizt haben.
Und ebenso sicher gilt das Manufactum-Prinzip der Weltgeschichte: Es gibt sie noch, die guten alten Dinge! Für die zu kämpfen lohnt, und für die gekämpft werden muss. Das war schon 1848 so, als Bürger die „Mainzer Republik“erkämpft und ausgerufen haben und 1918, als nach Straßenkämpfen in München die Räterepublik und in Berlin die Deutsche Republik proklamiert wurden, sowie 1989 noch einmal, als der Mauerfall die Deutschen und ihre Republiken wiedervereinigte.
Dagegen sind die Kämpfe, die wir heute auszutragen haben, anderer Natur. Wir treten an gegen den Klimawandel, stehen ein für soziale Gerechtigkeit, setzen uns mit Fake-News auseinander und fechten um die Dieselabgasnorm.
Aber wir sollten endlich aufhören, mit unseren Schnürsenkeln, der Steuererklärung und für die Einrichtung eines Stillzimmers im Landtag zu kämpfen. Sowie um den Erhalt der Südtribüne in Jena Da wird aus Kampf zu schnell Krampf.