Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Republik-Ausrufung und Hip-Hop auf dem Wielandplatz
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und der Schriftsteller Robert Menasse zelebrieren ihr „European Balcony Project“mit Weimar als zentralem Ort
„Es lebe die Europäische Republik!“Im Duktus von Philipp Scheidemann, der vor 100 Jahren die „deutsche Republik“ausrief, sowie Karl Liebknecht, der zwei Stunden später eine „sozialistische Republik“proklamierte, verkündeten am Samstag zwei Intellektuelle aus Deutschland und Österreich ihr Manifest zur Zukunft des Kontinents. Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und der Wiener Schriftsteller Robert Menasse hatten für diese zentrale Veranstaltung des „European Balcony Project“das Rondell des Weimarer Wielandplatzes gewählt – und mehrere Dutzend Neugierige sowie Medienvertreter verfolgten das Ereignis, das sich als Kunstperformance (ReEnactment) verstand und nach Angaben der Organisatoren zeitgleich auf Theaterbalkonen in vielen anderen europäischen Städten stattfand, vernetzt per Internet-Livestream und über soziale Medien.
Was die beiden Protagonisten und ihr Netzwerk fordern, ist eine nächste Stufe der europäischen Einigung: das Ende der Nationalstaaten. „Die konstitutionellen Träger der europäischen Republik sind die Städte und Regionen“, heißt es in ihrem Manifest. „Der Europäische Rat ist abgesetzt. Das Europäische Parlament hat gesetzgeberische Gewalt. Es wählt eine europäische Regierung.“
Menasse erinnerte unter anderem daran, dass eine Europäische Gemeinschaft vor den Verträgen von Rom vielen als noch größere Utopie erschien. Er nannte Beispiele, wie Vorbehalte gegenüber der EU durch unvollständige oder fehlinterpretierte Nachrichten entstanden.
Passend zum europäischen Ideal spielte die Hip-Hop-Band Zweierpasch, die aus der Grenzregion zwischen Breisgau und Elsass-Lothringen stammt, zwischen den Redebeiträgen auf dem Wielandplatz einige Songs.