Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„Es war mir eine Ehre“
Versöhnung am Schluss: In ihrer Abschiedsrede schlägt Angela Merkel auch selbstkritische Töne an – die Partei bedankt sich bei ihr mir einem minutenlangen Applaus
Sie kann ihre Tränen kaum zurückhalten. Es schimmert verdächtig, als Angela Merkel nach ihrer Abschiedsrede wieder an ihren Platz zurückkehrt. „Es war mir eine große Freude, es war mir eine Ehre“, so hat sie ihre Rede beendet.
Es ist der Vortrag einer scheidenden Parteivorsitzenden, der die Versöhnung in den Vordergrund stellt. Eine Versöhnung in „schweren Zeiten“für das Land, so drückt sie es aus. Aber auch eine Versöhnung ihrer Person mit ihrer Partei. Es ist auch eine selbstkritische Betrachtung. Merkel wählt deutliche Worte: „Wohin uns nicht enden wollender Streit führt, dass haben CDU und CSU in den letzten Jahren bitter erfahren“, sagt sie. Und verschweigt, dass es auch ihrer mangelnden Führungskraft geschuldet war, dass der Streit mit der CSU im Sommer die Fraktionsgemeinschaft an den Rand des Bruchs brachte. Wohin dagegen Einigkeit die Christdemokraten führe, sei auch klar: In den 70 Jahren der Bundesrepublik hätten CDU und CSU in 50 Jahren den Kanzler gestellt. Deswegen habe sie das Parteitagsmotto gewählt. „Zusammenführen. Und zusammen führen.“
Merkel ist das seit der Bundestagswahl nicht mehr gelungen. Nach 18 Jahren waren die Abnutzungseffekte zwischen ihr und der Partei zu groß. Sie musste sich das eingestehen, entschied im Sommer, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. „Für meine Verbundenheit mit der Partei brauche ich keinen Parteivorsitz – und Bundeskanzlerin bin ich ja auch noch“, sagt sie in Hamburg. Und macht damit deutlich, dass sie im Kanzleramt bleiben will.
Merkel hat ihrer Partei mit der Abschaffung der Wehrpflicht, der Ehe für alle, dem Atomausstieg, der Flüchtlingspolitik vieles zugemutet. „Ich weiß sehr wohl, dass ich eure Nerven damit sehr auf die Probe gestellt habe“, sagt sie über diese Entscheidungen und ihre Art, nicht auf jede Attacke gleich wortreich zu reagieren und die Partei nicht immer einzubeziehen. „Wir sind eine Familie“, fügt sie an. Sie kann in dieser Frage nicht aus ihrer Haut. Muss sie jetzt auch nicht mehr.
Die 64-Jährige wirkt befreit. Es sei ihr immer wichtig gewesen, die Ämter in Würde zu tragen und „sie eines Tages in Würde zu verlassen“. „Ich bin dankbar.“Der Parteitag ist es auch. Fast zehnminütiger Applaus, stehende Ovationen. Einige im Saal halten Schilder hoch mit der Aufschrift „Danke Chefin, für 18 Jahre CDU-Vorsitz“.
Es ist CDU-Vize Volker Bouffier, langjähriger Weggefährte, der Merkel das offizielle Geschenk der Partei überreicht. Der Taktstock des Dirigenten Kent Nagano, der beim G20Gipfel im vergangenen Jahr Beethovens Neunte dirigierte. Ein Geschenk für die Opernfreundin Merkel. Und eine Wertschätzung für die langjährige Taktgeberin der CDU.