Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Platz fürs Weimarer Leben

Ohne Stadt und Freistaat dreht sich Kolloquium an der Bauhaus-Uni ideenreich um die Zukunft des „Gauforums“

- VON JENS LEHNERT

„Weimar sollte Schwarz und Weiß zusammen begreifbar machen und nicht gegeneinan­der in Stellung bringen.“Die Hoffnung, die der Berliner Architektu­rkritiker Wolfgang Kil am Freitag im Oberlichts­aal der Bauhaus-Uni äußerte, scheint noch eher Wunsch als Wirklichke­it. Kein halbes Jahr geht mehr ins Land, bis die Klassik-Stiftung das neue Bauhaus-Museum eröffnen und das Neue Museum wieder bespielen will. Wie diese beiden Eckpfeiler das Nazi-Erbe „Gauforum“inhaltlich und für Besucher nachvollzi­ehbar in ihre Mitte nehmen können, klingt aber noch wenig konkret.

Unter anderem dieser Frage ging seit Donnerstag ein zweitägige Kolloquium nach. Christiane Wolf, die an der Uni das Archiv der Moderne leitet, der weimarerfa­hrene Historiker Justus Ulbricht sowie Architekt Norbert Korrek hatten hierzu eingeladen. Ihr Beweggrund im engeren Sinne: Als Kuratoren der Dauerausst­ellung „Das Gauforum in Weimar“haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, die 20 Jahre alte Schau im Turm bis September 2019 neu zu konzipiere­n. Das Projekt wird von der Stadt, der Bauhaus-Uni und dem Landesverw­altungsamt getragen und von der Staatskanz­lei gefördert. Eine Aussage, wem die Ausstellun­g gehören wird, ist bislang jedoch nicht getroffen, merkt Ulbricht an. Damit fehle der Entscheide­r, der der Ausstellun­g künftig etwa zu Öffnungsze­iten am Wochenende verhelfen könnte. Bislang gibt es diese nicht.

Baudezerne­ntin Claudia Kolb hatte zwar schon am Donnerstag den Anspruch der Stadt betont, hier ein „Quartier der Moderne“entwickeln zu wollen. Wie dies in absehbarer Zeit geschieht, konnte beim Kolloquium jedoch nicht Thema sein. In der abschließe­nden Podiumsdis­kussion, die für solche Argumente offen gewesen wäre, waren weder die Stadt noch der Freistaat als Eigentümer des „Gauforums“vertreten.

So blieb die Frage Ulbrichts unbeantwor­tet, wer die Verantwort­ung für die Gemeinsamk­eit dieses Quartiers trägt. Mehr Struktur mahnte auch Ulrike Bestgen namens der Klassik-Stiftung an, etwa, wenn es darum geht, das Viertel um das Gauforum und die beiden Museen ins Stadtzentr­um einzubinde­n und die Besucherst­röme gezielt hierher und auf klaren Wegen durch das Quartier zu lenken. Dazu gehöre es ihrer Ansicht nach ebenso, dass die Stadt nochmals darüber nachdenkt, die Straße hier für den Individual­verkehr zu sperren.

Solche strukturel­len Probleme mit allen verantwort­lichen Akteuren zu diskutiere­n, habe sich bisher als schwierig und langwierig erwiesen. Jedoch komme die Stiftung nicht umhin, dies zu tun. So müsse sie für den Fall, dass sie auf dem Platz vor dem neuen Bauhaus-Museum etwas plane, vorher die Stadt fragen. Denn ihr gehört das Areal.

Im Kern des Kolloquium­s stand indes noch eine grundsätzl­ichere Frage, die die Entwicklun­g des Quartiers wohl am maßgeblich­sten prägen wird: Wie will Weimar mit dem Erinnerung­sort „Gauforum“umgehen? „Ein Platz, der ein NichtPlatz ist, kann nicht die langfristi­ge Perspektiv­e sein“, sagte Hans-Rudolf Meier, Kunsthisto­riker an der Bauhaus-Uni. Sein Präsident argumentie­rte noch deutlicher: „Ich sehe als Ideal den geöffneten Platz. Weimar sollte den Mut dazu haben, dass dort Kinder spielen können und städtische­s Leben stattfinde­t“, betonte Winfried Speitkamp.

Auch Justus Ulbricht schloss sich dem Gedanken an, hob dabei aber nicht zuerst auf die Verantwort­ung von Stadt und Freistaat ab: „Eine Verwaltung ist tendenziel­l visionsfre­i. Nicht sie, sondern die Bürgergese­llschaft kann sich solch einen Platz zurückhole­n“, sagte der Wahl-Dresdener.

„Den jetzigen Rasen finde ich verhängnis­voll. Unter der Hitze des vergangene­n Sommers verbrannte er und hinterließ offene Erde“, bemühte Wolfgang Kil zunächst Symbolik. Ganz konkret sieht er es als notwendig an, die hermetisch­e Abgrenzung des Areals von seiner städtische­n Umgebung stückweise aufzulösen und die „Gewaltigke­it des Leerraumes“aufzubrech­en.

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Gestern diskutiert­en unter anderem Winfried Speitkamp, Daniel Logemann (Gedenkstät­te Buchenwald), Ulrike Bestgen und Justus Ulbricht. Foto: Jens Lehnert

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