Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Schöpfer legendärer Wartburgs
Zeitlebens begeisterte sich Hans Fleischer für Fahrzeuge aller Art. Ein eigenes Auto hat er nie besessen. Dennoch gehörte er zu den profiliertesten Fahrzeuggestaltern der DDR
Hans Fleischer ist vielen Menschen außerhalb des früheren Automobilwerkes und der Wartburg-Ära ein Unbekannter geblieben. Dabei war er einer der profiliertesten Fahrzeuggestalter der DDR.
Nach dem Zweiten Weltkrieg prägte er alle Karosserieformen der Eisenacher Fahrzeuge. Doch Hans Fleischer blieb sein Leben lang sehr bescheiden. Und teilt ähnlich wie Erich John, der praktische Dinge für die halbe DDR entwarf und Erfinder der berühmten Weltzeituhr auf dem Berliner Alexanderplatz ist, ein ähnliches Schicksal. Ihre Produkte kannte nahezu jeder DDR-Bürger, die Gestalter hingegen kaum.
Das Museum „Automobile Welt“will jetzt Hans Fleischer die Aufmerksamkeit geben, die er verdient hat. Mit einer Festveranstaltung ehrte die Stiftung „Automobile Welt Eisenach“jüngst den Eisenacher Karosseriedesigner. Eine neue Sonderausstellung war dabei nach einem Vortrag und einer Gesprächsrunde mit dessen Sohn und weiteren Zeitzeugen eröffnet worden.
Hans Fleischer wurde 1919 in Eisenach als Sohn eines Handelskaufmanns geboren. Er besuchte die Ernst-Abbe-Schule. Schon in seiner Kindheit war er technisch und künstlerisch interessiert, ging deshalb in eine Zeichenschule, die der Kunstmaler Peter Paul Draewig leitete. Eigentlich wollte Hans Fleischer ursprünglich mal Kameramann oder Filmemacher werden.
Doch sein Onkel, Hauptkonstrukteur im BMW-Werk in Eisenach, überredete den jungen Mann nach seinem Schulabschluss eine Ausbildung als Maschinenschlosser im BMWWerk zu beginnen. Dort wurde man schnell auf ihn aufmerksam, und setzte ihn fortan im Konstruktionsbüro ein.
Zu der Zeit hielt Fleischer noch an seinen ursprünglichen Plänen fest. Er bewarb sich zum Studium Filmapparatebau in Berlin und kam 1939 die Zusage für dieses Studium. Der Einberufungsbescheid für den Reichsarbeitsdienst und der im September 1939 begonnene Zweite Weltkrieg beendeten diese Pläne. 1940 wurde Fleischer als 29Jähriger von der Wehrmacht eingezogen, er musste als Soldat in Frankreich und in Russland kämpfen – und wurde zwei Mal schwer verwundet.
1945 kehrte er in seine Heimatstadt nach Eisenach zurück. Erst im Januar 1947 begann er erneut die Arbeit im Konstruktionsbüro des Eisenacher BMWWerkes. An der Gestaltung des BMW 340 arbeitete Hans Fleischer dann bereits mit. Seine eigenständige Gestaltung begann er 1950 mit dem BMW 342. 1952 erfolgte die Umfirmierung des Werkes mit der Umbenennung der Marke von BMW in Eisenacher Motorenwerk (EMW). Im Herbst 1953 gestaltete der Eisenacher die Außenform für den EMW 311, der ab Januar 1956 unter einem anderen Namen bekannt wurde. Wartburg 311. Das Auto hat bis heute nichts von seiner damaligen Popularität verloren. Noch in vielen Garagen finden sich alte 311er, die jedes Jahr auf den bekannten Oldtimer-Veranstaltungen „Startklar“im Frühjahr, „Heimweh“im Sommer und zum Denkmaltag im frühen Herbst in Eisenach zu bewundern sind. Neben der Limousine prägte Hans Fleischer zu dieser Zeit weitere Modelle, wie die Wartburg-Campinglimousine und den Sportwagen 313/1.
Mit dem Wartburg 353 hat Hans Fleischer erstmalig auch seine Grundprinzipien nach einer klaren Formsprache verwirklichen können. Und er fand damit auch international Anklang. Im Sommer 1966 begann die Serienproduktion der 353er Limousine in Eisenach. In Erinnerung geblieben, ist dem ein oder anderen die Diskussion um die Anmaßung von Karl Clauss Dietel, selbst maßgeblicher Gestalter des 353 zu sein. Höhepunkt der Debatte war vor wenigen Jahren die Verleihung des deutschen Designpreises für die Gestaltung des 353. Das hat auch in Eisenach viele seiner ehemaligen Kollegen erzürnt. Zudem nicht nur Zeitzeugen Kritik an dieser Entscheidung äußerten, auch in historischen Quellen ist anderes belegt. Demnach hat Fleischer maßgeblich die Formgestaltung für den 353 gemacht. Dietel hat, so belegen es auch Recherchen des Autors und Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung „Automobile Welt“, Lars Leonhardt, am Grundentwurf des 353 zusammen mit Lutz Rudolph nur „mitgearbeitet“. Das habe Dietel selbst zu DDR-Zeiten immer wieder betont. Schon damals gab es Unstimmigkeiten in dieser Angelegenheit, schildert Lars Leonhardt. Noch in einem Brief an das AWE im April 1967 mit der Bitte, den Wartburg 353 auf der 6. Kunstausstellung in Dresden auszustellen, schreibt Dietel, dass es sein Vorschlag wäre, als Urheber des 353 „Kollege Fleischer im besonderen und wir – Kollege Rudolph und ich – lediglich als gestalterische Mitarbeiter“zu benennen,
Doch die Automobilwerkführung wollte eine konkrete Namensnennung Einzelner vermeiden und die Neuentwicklung unbedingt als Kollektivleistung benannt wissen.
„Später beanspruchte Dietel den Grundentwurf mit Rundscheinwerfern und Längsschlitzen für sich“, sagt Lars Leonhardt. Gegendarstellungen und Protestbriefe Fleischers seien schon damals ins Leere gelaufen.
Letztendlich bleibe, so der Fachautor, am Ende die sachliche Feststellung, dass aus den Entwürfen Dietels von der Serienausführung des Wartburg 353 nur der Innentüröffner und das umlaufende Farbband dem Innenraum zugeordnet werden konnte. Bis heute sei unverständlich, warum Dietel diesen Fehleindruck selbst nicht mehr korrigierte, meint Leonhardt.
Mit der Umstellung auf den Wartburg 1.3 endete die Produktion des Wartburg 353 nach 22 Jahren und mehr als 1,2 Millionen Fahrzeugen.
Noch bis zu seinem Rentenantritt im Frühjahr 1984 arbeitete der Eisenacher an WartburgNachfolgern sowie an der Entwicklung eines Einheits-Autos zusammen mit zwei Werken in Zwickau und der CSSR.
Doch Hans Fleischer gestaltete nicht nur Wartburg für Wartburg, er vermittelte sein Wissen auch an Absolventen und junge Formgestalter an Kunsthochschulen. Nach kurzer schwerer Krankheit verstarb Hans Fleischer 1986 mit nur 67 Jahren. Die Sonderausstellung „ Jahre Hans Fleischer – Der Eisenacher KarosserieDesigner“läuft bis zum Donnerstag, . Oktober