Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Für Mountainbiker ist Thüringen noch ein unerschlossenes Land
Problem: Waldgesetz erlaubt Radfahren derzeit nur auf befestigten Wegen oder mit Zustimmung der Waldbesitzer
Ein begeisterter Radfahrer war Andreas Albrecht aus Gotha immer schon. Als Psychologie-Student beispielsweise stieg er zwischen Jena und seiner Heimatstadt Erfurt lieber aufs Rad statt in den Zug. Doch dass daraus eines Tages mehr als nur ein Hobby werden würde, war nicht abzusehen.
Vor 14 Jahren jedoch hat sich der heute 59-Jährige als Autor von Tourenbeschreibungen für Mountainbiker selbstständig gemacht und seinen gut dotierten Job an den Nagel gehängt. Denn nachdem er Mitte der 90er-Jahre zum ersten Mal „von einem Kollegen mit über die Alpen geschleppt“worden war, haben ihn das Mountainbiken (MTB) und die Suche nach anspruchsvollen Routen zur Alpenüberquerung nicht mehr losgelassen.
Andreas Albrecht entwickelte unter anderem die nach ihm benannte siebentägige AlbrechtRoute von Garmisch bis zum Gardasee, aber längst auch Reiseführer für Mountainbiker in vielen anderen Regionen.
Was den Thüringer indes wurmt, das ist, dass aus seiner Sicht im Thüringer Wald ein riesiges Potenzial für Mountainbiker brachliegt. Dabei biete Thüringen alles, was sich Radwanderer nur wünschen könnten: Steigungen verschiedener Kaliber, wunderschöne Natur, hübsch herausgeputzte Orte und nicht zuletzt: Einsamkeit. Albrecht, der – dazu angeregt von einem Verlag – in den vergangenen beiden Sommern mehr als zehntausend Kilometer durch den Thüringer Wald geradelt ist, begegnete auf seinen Touren unterwegs oft stundenlang keinem einzigen Menschen. „In Südtirol zum Beispiel gibt es das nicht einmal bei schlechtem Wetter. Da ist es immer voll“, weiß der Mountainbiker. „Dass es in Thüringen anders ist, halte ich für einen riesigen Standortvorteil.“
Er sei ja selber zunächst skeptisch gewesen, ob sich Mountainbiken in Thüringen lohnt, räumt der Gothaer ein. Doch inzwischen ist er davon überzeugt. 50 bis 60 Touren abseits des Rennsteigs könnte er sofort aus dem Ärmel schütteln. Doch die Mühe, die Touren im Detail auszuarbeiten, machen und seinen in der MTB-Welt bekannten Namen dafür hergeben will Albrecht nur, wenn er sichergehen kann, dass das Ganze nicht versandet. Und da hat er so seine Zweifel. Vor allem im Thüringer Waldgesetz sieht er ein großes Hindernis.
Wohl nicht zu Unrecht, wie eine Nachfrage bei Horst Sproßmann, Sprecher der Landesfortanstalt Thüringen, ergibt: Das Gesetz in seiner Fassung vom 23. Januar regele nämlich ganz klar, dass zum Zwecke der individuellen Erholung zwar jeder mit dem Mountainbike überall im Wald auf befestigten Wegen und Straßen fahren darf, während das abseits davon zumindest mit der Zustimmung des jeweiligen Waldbesitzers möglich ist. Doch Touren, die quasi vermarktet werden, seien grundsätzlich nicht vom allgemeinen Betretungsrecht zum Zwecke
der individuellen Erholung gedeckt. „Meines Erachtens hat der Thüringer Gesetzgeber hier eine gute Regelung gefunden“, sagt Sproßmann mit Blick auf die teils konkurrierenden Interessen der unterschiedlichen Waldnutzer. Wanderer, Reiter und Pferdebesitzer, die ihr Pferd im Wald an der Leine führen, schätzten die Mountainbiker wegen ihrer rasanten Fahrweise nämlich als Gefahr ein. Und dieses Gefährdungspotenzial werde weiter steigen, weil die Fahrräder zunehmend elektrifiziert seien und dadurch unter anderem konstant höhere Geschwindigkeiten erreicht würden. „Außerdem dürfen auch beim Mountainbikefahren abseits fester Wege und Straßen die Belange des Naturschutzes nicht beeinträchtigt werden“, betont der Thüringenforst-Sprecher, der die Rechtslage für „fein abgestimmt“hält.
Andreas Albrecht beurteilt das anders: Nach Tausenden Streckenkilometern ist er davon überzeugt,dasseskeinnennenswertes Konfliktpotenzial zwischen den verschiedenen Nutzergruppen im Thüringer Wald gibt. Dazu komme „ein sehr großes und verästeltes Wegenetz“. Seine Schlussfolgerung: „Der Tourismus in Thüringen braucht einen Masterplan MTB, zumal Mountainbiker im Gegensatz zu Wanderern eine wachsende touristische Zielgruppe sind.“Mögliche Touren, zuvorderst Rundtouren zwischen 20 und 50 Kilometern mit zirka 500 bis 1000 Höhenmetern, müssten nur einmal von einem Profi ausgearbeitet werden.
Beim Regionalverbund Thüringer Wald rennt er damit offene Türen ein. Mehr noch: Der Verbund sieht MTB sogar als „Kernthema“, sagt Christina Büller, die seit Oktober für die „Aktivregion Rennsteig“, eine der vier sogenannten Produktmarken der Tourismuskonzeption 2025 für den Thüringer Wald, zuständig ist. „Bewegung steckt in der DNA des Thüringer Waldes, Bewegung eint die Menschen am Rennsteig“, meint Büller. „Das Thema Mountainbike im Thüringer Wald weiterzuentwickeln ist im Moment das entscheidende Thema in der Produktmarke.“Deshalb sammle sie derzeit Ideen zu MTB-Projekten in der gesamten Region, die der Regionalverbund auch unterstützen wolle – und das nicht gegen, sondern gemeinsam mit Naturschutz und Forst.
Christina Büller versichert, dass der Regionalverbund sowohl mit Thüringenforst als auch mit dem Unesco-Biosphärenreservat Thüringer Wald in sehr engem Kontakt steht. Erst vor wenigen Tagen habe sie gegenüber den Partnern von Thüringenforst noch einmal deutlich gemacht, dass der Verbund gerne zeitnah zwei MTBRouten vermarkten will, die Andreas Albrecht 2017 für das Vorhaben „Thüringer Waldumbau“ausgearbeitet hatte.
„Nach diesem Gespräch bin ich sehr zuversichtlich, dass wir bald in die Umsetzung gehen können. Wir müssen nun noch über die Gestattungsverträge für die Wege sprechen und regeln, wer die Kosten für die Beschilderung übernimmt“, versprüht die Verbund-Mitarbeiterin großen Optimismus. Er fußt vor allem darauf, dass sich diese beiden Touren „zu 97 Prozent auf Wegen des Staatsforstes befinden. Das macht die Sache einfacher“.
Demnächst fänden dazu Gespräche zwischen Thüringenforst, Kommunen und Regionalverbund statt. Mit Andreas Albrecht wolle der Verbund auch künftig „eng kooperieren“. Generell, so Büller, wäre es dem MTB in Thüringen aber zuträglich, wenn das Waldgesetz privaten und kommunalen Waldbesitzern die Sorge nehmen würde, dass ihnen Haftungsrisiken aufgebürdet werden, wenn Mountainbiker eben nicht nur auf „Forst-Autobahnen“fahren.